08 - Old Surehand II
daß ich zu Büchse und Tomahawk gegriffen habe und auf einen Monat oder zwei hinausgeritten bin in die Savanne und die Woodlands, wo ich den Ölgeruch vergessen und den Büffeln oder Indsmen zeigen konnte, daß Tim Kroner noch keine Lust habe, die schöne Prärie mit den ewigen Jagdgründen zu vertauschen. Zwischen Longs Peak und den Spanish Peaks ist mein Jagdrevier, und dort habe ich mir den Namen geholt, mit dem ihr mich vorhin genannt habt, nämlich, der ‚Coloradomann‘, Mesch'schurs. Und es ist wahr, was ihr vorhin sagtet, daß ich nämlich der beste Jäger weit und breit bin. Möchte einen andern sehen, der es mit mir aufnimmt, mag es sein, in was es wolle. So! Und nun habe ich euch den Willen getan und bin mit meiner Erzählung fertig. –
Der Erzähler hatte die Behauptung, daß es niemand mit ihm aufnehmen könne, im Ton vollen Bewußtseins gesagt. Diese Selbstgefälligkeit schien einem der Anwesenden nicht ganz am Platz zu sein; denn er sagte:
„Dank für Eure schöne Geschichte, Sir, und allen Respekt vor Euch, Mr. Kroner. Man weiß, was man von dem Coloradomann zu halten hat; aber sollte es doch keinen andern geben, der sich neben Euch stellen kann?“
„Wer könnte das sein?“ fragte der Selbstbewußte.
„Winnetou zum Beispiel.“
„Pshaw! Das ist ein Indianer!“
„Old Firehand?“
„Habe es oft mit ihm aufgenommen!“
„Old Surehand?“
„Kann mich auch nicht irre machen.“
„Old Shatterhand?“
„Bin oft mit ihm geritten und habe nichts von ihm lernen können. Das sind alles Leute, an denen der Name das bedeutendste ist. Gerade Old Shatterhand hat in meinem Beisein manchen Fehler gemacht, den ich für unmöglich gehalten hätte. Er hat viel Körperkraft; das ist aber auch alles!“
Bei diesen Worten stand er auf und näherte sich meinem Tisch. Er war kein übler Erzähler, und ich hatte ihm mit Interesse zugehört, obgleich ich mir das Meine dabei dachte. Diese Gedanken schienen sich meinem Gesicht aufgeprägt zu haben, denn er stellte sich jetzt breitspurig vor mich hin und fragte mich:
„Ich habe vorhin, als Ihr mit Mutter Thick spracht, gehört, daß Ihr ein Dutchman seid, Sir?“
Das Wort Dutchman wird den Deutschen gegenüber als Schimpfwort gebraucht; dennoch antwortete ich ruhig und gelassen:
„Nicht ein Dutchman, sondern ein German, Sir.“
„Das ist ein und dasselbe. Ich sage Dutchman und halte das für das richtige. Ihr habt, als ich erzählte ein so zweifelhaftes Gesicht gemacht. Warum?“
„Interessiert Euch mein Gesicht?“
„Eigentlich ganz und gar nicht. Ihr habt kein Gesicht, dem ich sonst Beachtung schenken möchte; aber in diesem Fall ist es etwas anderes. Es sah grad so aus, als ob Ihr mir keinen Glauben schenktet. Ist's so oder nicht?“
„Liegt Euch so viel daran, zu wissen, was ich glaube?“
„Alberne Frage! Euer Gesicht galt mir, und da will ich unbedingt wissen, was es zu bedeuten hatte. Oder habt Ihr Angst, es mir zu sagen?“
„Angst? Nicht daß ich wüßte!“
„Nun also, heraus damit!“
Alle Gäste waren still, auch die an den entfernten Tischen. Sie erwarteten eine Szene und horchten gespannt zu uns her. Ich antwortete lächelnd:
„Ich habe gar keinen Grund, damit zurückzuhalten, daß ich mich über einen sehr auffälligen Anachronismus gewundert habe, der in Eurer Erzählung vorgekommen ist.“
„Anachronismus? Was ist das? Redet doch so, daß man es verstehen kann!“
„Gut, also deutlich! Seit wann ist wohl vom Petroleum im jetzigen Sinn die Rede gewesen?“
„Wer kann das wissen!“
„Ich, nämlich seit dem Jahre 1859. Und wann wurden in den Vereinigten Staaten die ersten Ölquellen entdeckt?“
„Das mögt Ihr Euch selbst antworten!“
„Zwei Jahre vorher, also 1857. Nun sprecht Ihr von einem Ölbohrer jenseits des Coteaus, bei dem Lincoln gewesen sei, nachdem er kurz zuvor Lawyer geworden war. Wann aber ist er Lawyer geworden?“
„Laßt mich mit Euren dummen Fragen in Ruh!“
„Sie sind nicht so dumm, wie Ihr denkt, und gehören zu der Auskunft, die ich Euch geben soll. Lincoln etablierte sich nämlich im Jahr 1836 in Springfield als Lawyer, also über zwanzig Jahre vor der Entdeckung der ersten bedeutenden Ölquelle. Wie stimmt das mit Eurer Erzählung, Sir?“
„Ob es stimmt oder nicht, das ist mir gleichgültig!“
„Nun, so habt die Güte, gegen mein Gesicht ebenso gleichgültig zu sein!“
„Wollt Ihr sagen, daß Ihr das von dem Ölbrand nicht glaubt?“ fragte er in drohendem
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