08 - Old Surehand II
und fragte, jetzt ernster werdend:
„Ist mein weißer Bruder der Herr in diesem Haus?“
„Das geht dich nichts an.“
„Du hast recht gesagt; es geht mich nichts an und dich nichts, darum darf der rote Mann grad so sitzen wie der weiße.“
Er ließ sich nieder. Es lag in der nachdrücklichen Art und Weise, wie er dies sagte, etwas, was dem mürrischen Trapper imponieren mochte. Er ließ ihn jetzt gewähren.
Der Wirt trat herbei und fragte den Roten:
„Was willst du hier in meinem Haus?“
„Gib mir Brot zu essen und Wasser zu trinken!“ antwortete dieser.
„Hast du Geld?“
„Wenn du in mein Wigwam kämst und um Speise bätest, würde ich sie dir ohne Geld geben. Ich habe Gold und Silber.“
Das Auge des Wirtes blitzte auf. Ein Indianer, der Gold und Silber hat, ist eine willkommene Erscheinung an jedem Ort, wo das verderbliche Feuerwasser zu haben ist. Er ging und kehrte bald mit einem mächtigen Krug Branntwein zurück, welches er neben dem bestellten Brot vor den Gast setzte.
„Der weiße Mann irrt; solch' Wasser habe ich nicht begehrt!“
Erstaunt blickte ihn der Wirt an. Er hatte noch niemals einen Indianer gesehen, der dem Geruch des Spiritus hätte zu widerstehen vermocht.
„Was denn für welches?“
„Der rote Mann trinkt nur das Wasser, welches aus der Erde kommt.“
„So kannst du hingehen, wo du hergekommen bist. Ich bin hier, um Geld zu verdienen, nicht aber, um deinen Wasserträger zu machen! Bezahl das Brot und troll dich fort!“
„Dein roter Bruder wird bezahlen und gehen, doch nicht eher, als bis du ihm verkauft hast, was er noch braucht.“
„Was willst du noch?“
„Du hast ein Store, wo man kaufen kann?“
„Ja.“
„So gib mir Tabak, Pulver, Kugeln und Feuerholz.“
„Tabak sollst du haben; Pulver, Kugeln und Feuerholz verkaufe ich an keinen Indsman.“
„Warum nicht?“
„Weil sie euch nicht gehören.“
„Deinen weißen Brüdern aber gehören sie?“
„Das will ich meinen!“
„Wir alle sind Brüder; wir alle müssen sterben, wenn wir kein Fleisch schießen können; wir alle müssen Pulver und Kugeln haben. Gib mir, um was ich dich gebeten habe!“
„Du bekommst sie nicht!“
„Ist dies dein fester Wille?“
„Mein fester!“
Sofort hatte ihn der Indianer mit der Linken bei der Kehle und zückte mit der Rechten das blitzende Bowiemesser.
„So sollst du auch deinen weißen Brüdern nicht mehr Pulver und Kugeln geben. Der große Geist läßt dir nur einen einzigen Augenblick noch Zeit. Gibst du mir was ich will, oder nicht?“
Die Jäger waren aufgesprungen und machten Miene, sich auf den mutigen Wilden zu stürzen, unter dessen eisernen Griff sich der Wirt stöhnend wand. Er aber hielt sich rückenfrei und rief, den Kopf stolz emporwerfend, mit dröhnender Stimme:
„Wer wagt es, Winnetou, den Häuptling der Apachen, anzutasten?!“
Das Wort hatte eine überraschende Wirkung.
Kaum war es ausgesprochen, so traten die Angriffsbereiten mit allen Zeichen der Achtung und Ehrerbietung von ihm zurück. Winnetou war ein Name, der selbst dem kühnsten Jäger und Fallensteller Respekt einflößen mußte.
Der Indianer war der berühmteste Häuptling der Apachen, deren bekannte Feigheit und Hinterlist ihnen früher unter ihren Feinden den Schimpfnamen ‚Pimo‘ zugezogen hatte; doch seit er zum Anführer seines Stammes gewählt worden war, hatten sich die Feiglinge nach und nach in die geschicktesten Jäger und verwegensten Krieger verwandelt; ihr Name wurde gefürchtet weit über den Kamm des Gebirges herüber, ihre mutigen Unternehmungen waren stets vom besten Erfolg begleitet, obgleich sie nur in geringer Männerzahl und mitten durch feindliches Gebiet hindurch ihre Streifzüge bis in den fernen Osten ausdehnten, und es gab eine Zeit, in welcher an jedem Lagerfeuer und im kleinsten Boarraum ebensowohl wie im Salon des feinsten Hotels Winnetou mit seinen Apachen den ständigen Gegenstand der Unterhaltung bildete. Jedermann wußte, daß er schon öfters ganz allein und ohne alle Begleitung außer derjenigen seiner Waffen über den Mississippi herübergekommen war, um die ‚Dörfer und Hütten der Bleichgesichter‘ zu sehen und mit dem ‚großen Vater der Weißen‘, dem Präsidenten in Washington, zu sprechen. Er war der einzige Häuptling, der noch ununterjochten Stämme, welcher den Weißen nicht übel wollte, und es ging die Rede, daß er sogar ein sehr enges Freundschaftsbündnis mit Fire-gun, dem Trapper und Pfadfinder, geschlossen
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