08 - Old Surehand II
bleiben!“ antwortete der Dicke und wandte sich zu dem Schwarzbärtigen.
„Wenn Ihr Sam Fire-gun sehen wollt, so ist's jetzt Zeit aufzubrechen, aber sagt vorher erst, wie Ihr heißt! Ob Ihr Namen habt oder nicht, das bleibt sich gleich, aber man muß doch wissen, wie man Euch zu nennen hat.“
Der Gefragte erhob sich, um sich mit seinem Begleiter den beiden Trappern anzuschließen.
„Ich heiße Sander, Heinrich Sander, und bin ein Deutscher von Geburt.“
„Ein Deutscher? Hm, ob Ihr Chinese seid oder ein Großtürke, das bleibt sich gleich; da Ihr aber ein Deutscher seid aus Germany da drüben, so ist es mir lieber und auch besser für Euch, denn die Deutschen sind brave Männer; kenne sie, und bin manchem von ihnen begegnet, der die Büchse so zu halten verstand, daß er den Büffel ins Auge traf. Vorwärts also, Mann. Wir müssen lange Beine reiten!“
Die vier Männer traten ins Freie. Dort steckte Hammerdull die Finger in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus, auf welchen zwei aufgezäumte Pferde hinter der Fenz hervorgetrabt kamen.
„So, da sind die Tiere. Nun hinauf und fort, Master Sander und – ja, und wie soll man denn Euch nennen?“ fragte er den andern.
„Peter Wolf heiße ich“, antwortete dieser.
„Peter Wolf? Verteufelt miserabler Name! Es ist zwar ganz gleich, ob Ihr John oder Tim oder meinetwegen Bill heißt aber Peter Wolf, das bricht einem ja die Zunge entzwei und schiebt die Zähne auseinander. Na also, steigt auf und macht, daß wir in den Wald und dann in die Prärie hineinkommen!“
„Wo ist denn der Indianer hin?“ fragte Sander.
„Der Apache? Wo der hin ist, das ist ganz egal, das bleibt sich sogar gleich. Er weiß am besten, wohin er zu gehen hat, und ich wette meine Stute gegen einen Ziegenbock, daß wir ihn grad da wiedertreffen, wo er es für gut hält und wir ihn am nötigsten brauchen.“
Die Wette hätte ihre lustige Seite gehabt, denn es wäre gar mancher wohl schwerlich bereit gewesen, einen guten, wohlgehaltenen Ziegenbock gegen die alte, steifbeinige Stute zu setzen, die jedenfalls eine ansehnliche Reihe von Jahren auf dem messerscharfen Rücken trug und eher einem Bastard zwischen Ziege und Esel als einem brauchbaren Pferd ähnlich sah. Ihr Kopf war unverhältnismäßig groß, schwer und dick; von einem Schwanz war absolut keine Rede mehr, denn wo früher vielleicht ein kräftiger Haarschweif herabgehangen hatte, da ragte jetzt ein kurzer, spitziger und knochiger Stummel in die Höhe, an welchem man selbst bei Anwendung eines Mikroskops nicht eine einzige Haarspur entdeckt hätte. Ebenso fehlte die Mähne vollständig. An ihrer Stelle war ein wirrer, schmutziger Flaumfederstreifen zu erkennen, welcher zu beiden Seiten des Halses in die langzottige Wolle überging, mit welcher der knochendürre Leib bedeckt war. An den mühsam zusammengehaltenen Lippen konnte man erkennen, daß das liebe Tier wohl keinen einzigen Zahn mehr besitze, und die kleinen, tückisch schielenden Augen ließen vermuten, daß es einen nicht sehr liebenswürdigen Charakter besitze.
Doch hätte nur der im Westen Unbekannte über die alte Rosinante lächeln können. Diese Art von Tieren hat gewöhnlich ein halbes Menschenalter hindurch dem Reiter in Not und Gefahr gedient, in Wind und Wetter, in Sturm und Schnee, Hitze und Regen treu und mutig zu ihm gehalten, ist ihm daher an das Herz gewachsen und besitzt selbst noch im hohen Alter schätzenswerte Eigenschaften, welche ihn nicht leicht zu einem Wechsel schreiten lassen. So wußte jedenfalls auch Dick Hammerdull, warum er seine Stute beibehielt und nicht einen jungen, kräftigen Mustang an ihrer Stelle unter den Sattel nahm.
Auch Pitt Holbers war nicht sehr prachtvoll beritten. Er saß auf einem kleinen, kurzen und dicken Hengst, der so niedrig war, daß die langen, unendlichen Beine des Reiters fast an der Erde schleiften. Doch waren trotz der nicht geringen Last die Bewegungen des Tieres so leicht und zierlich, daß man ihm schon etwas zutrauen durfte.
Was die Pferde der beiden andern betraf, so stammten sie offenbar aus einer ruhigen Farm des Ostens und hatten also die Aufgabe, ihre Brauchbarkeit im Laufe der Zeit erst noch zu beweisen.
Der scharfe Ritt ging bis gegen Abend hin durch den hohen Wald. Sodann erreichte man die offene Prärie, welche, von gelbblühenden Helianthus bedeckt, sich wie ein prachtvoller Teppich nach allen Seiten hin erstreckte und in einer weiten, unendlichen Ebene sich gegen den graugefärbten
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