08 - Old Surehand II
bestimmen!“
„Denk's auch! Willst du die andere Hälfte führen?“
„Hm, wenn mir die Männer nachlaufen wollen, so will ich gern vorankriechen! Mein Gewehr hat neues Pulver und Blei und wird ein sehr vernünftiges Wort dort mit den Indsmen reden. Aber die Pferde, Colonel, die müssen zurückbleiben; der Mann aus Germany, der Sander, kann sie halten.“
„Fällt mir nicht ein“, entgegnete dieser kurz; „ich gehe mit!“
„Was Euch einfällt oder nicht, das bleibt sich gleich; aber wenn Ihr nicht wollt, so kann es ja der andere tun, der Peter Wolf – hol' der Teufel den bockbeinigen Namen –!“
Auch dieser weigerte sich, und so bekam einer der wenigen waffenlosen Arbeiter den Auftrag, die Pferde einstweilen in seine Obhut zu nehmen.
Die streitbaren Kräfte wurden geteilt. Sam Fire-gun und Dick Hammerdull stellten sich an die Spitze der beiden Abteilungen; der Zug blieb zurück; die Männer bewegten sich vorwärts, und nach wenigen Augenblicken lag tiefe Stille über der Gegend, und nicht das leiseste Geräusch verriet, daß der auf der weiten Ebene ruhende scheinbare Frieden die Vorbereitung einer blutigen Katastrophe in sich berge.
Zunächst wurde eine ansehnliche Strecke in aufrechter Stellung zurückgelegt; dann aber, als die Nähe des mutmaßlichen Kampfplatzes erreicht war, legten sie sich nieder und krochen, einer hinter dem andern, auf Händen und Füßen zu beiden Seiten der Böschung entlang.
„Uff!“ klang es da leise an das Ohr Sam Fire-guns. „Die Reiter des Feuerrosses mögen hier liegen und warten, bis Winnetou, der Häuptling der Apachen, fortgeht und wiederkommt!“
„Winnetou?“ fragte Sam Fire-gun, sich halb emporrichtend. „Hat mein roter Bruder die Gestalt seines weißen Freundes vergessen, daß er ihn nicht erkennt?“
Winnetou betrachtete ihn, erkannte ihn trotz der Dunkelheit und rief erfreut aus, allerdings mit leiser Stimme:
„Sam Fire-gun! Der große Geist sei gelobt, der dem Apachen heut dein Angesicht zeigt; er mag deine Hand segnen, daß sie vernichtend falle auf die Häupter deiner Feinde! Ist mein Bruder auf dem Feuerroß geritten?“
„Ja; er hat das Gold, welches er der Freundschaft des Apachen verdankt, nach Sonnenaufgang geschafft und kehrt nun zurück, um mehr zu finden. Warum wollte mein wachsamer Bruder fortgehen und wiederkommen?“
„Die Seele der Nacht ist schwarz und der Geist des Abends dunkel und finster; Winnetou konnte nicht erkennen seinen Bruder, der am Boden lag. Aber den Mann hat er gesehen, der dort auf dem Hügel steht, um nach dem Feuerroß zu schauen. Der Apache wird gehen, um das Auge des Ogellallah zu schließen; dann kehrt er zurück!“
Er war im nächsten Moment im Dunkel der Nacht verschwunden.
Diese zwei berühmten Männer der Prärie, von der Natur so verschieden ausgestattet und doch mit gleicher Freundschaft einander ergeben, hatten sich nach langer Trennung hier wiedergefunden. Aber ihre unberührbaren Naturen kannten nicht die lauten Freudenbezeigungen, wie sie sonst zu beobachten sind, und der Augenblick des Wiedersehens nahm sie ja anderweitig so vollständig in Anspruch, daß an eine zeitraubende und geräuschvolle Begrüßung gar nicht zu denken war.
Trotz des nächtlichen Dunkels war auf der seitwärts liegenden, wellenförmigen Bodenerhebung eine Gestalt zu erkennen, welche sich für das scharfe Auge eines Westmannes deutlich genug von dem sternenbedeckten Horizont abzeichnete. Die Ogellallahs hatten also eine Wache ausgestellt, um nach dem Licht des nahenden Zuges zu schauen. Einem Weißen wäre es wohl schwer oder gar unmöglich geworden, unbemerkt an sie heranzukommen; Sam Fire-gun aber kannte die Meisterschaft des Apachen im Beschleichen und wußte, daß der Ogellallah in kurzer Zeit verschwinden werde.
Hart am Bahndamm liegend, behielt er ihn scharf im Auge und wirklich – nur wenige Minuten waren vergangen, so fuhr neben dem Wachehaltenden eine Gestalt blitzschnell in die Höhe, beide lagen im Nu an der Erde! – das Messer des Apachen hatte seine Schuldigkeit getan.
Dieser kehrte erst nach längerer Zeit zurück; er hatte die Indianer umschlichen und ihre Stellung in Augenschein genommen. Jetzt stattete er Sam Fire-gun seinen Bericht ab.
Die Ogellallahs hatten einige Schienen herausgerissen und diese samt den Schwellen quer über das Bahngleis gelegt. Der Zug hätte mitsamt seinen Passagieren ein fürchterliches Schicksal gehabt, wenn er ungewarnt an diese Stelle gekommen wäre. Sie lagen
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