08 - Old Surehand II
Dick Hammerdulls Abteilung gut gezielt hatte.
„Alle Kugeln heraus und dann drauf!“ rief der wackere Dicke, schoß den zweiten Lauf seiner Büchse ab, warf sie, die ihm nun nichts mehr helfen konnte, fort, riß den Tomahawk, diese furchtbare Waffe des Westens, unter dem langen Jagdhemd hervor und stürzte sich, gefolgt von Pitt Holbers und den Mutigsten unter den Arbeitern, auf die vor Entsetzen stockenden Wilden.
Diese hatten vor Überraschung über den ganz unerwarteten Überfall die Besinnung verloren; vor und hinter sich den Feind, gab es für sie nur Rettung in der Flucht. Wieder erschallte ein lauter Ruf Matto-Sihs und im nächsten Moment war kein Wilder mehr zu sehen. Sie hatten sich mitten unter den Angreifern auf die Erde geworfen und suchten, zwischen ihnen hindurchkriechend, das Weite zu erreichen.
„Zur Erde, ihr Männer, und die Messer zur Hand!“ rief Fire-gun mit donnernder Stimme und eilte dann nach dem verlassenen Lagerplatz der Indianer.
Er dachte sich, daß diese sicher eine hinreichende Menge von allerlei Brennstoff gesammelt hatten, um für den Fall, daß ihr Vorhaben gelungen sei, die nötige Beleuchtung zu erhalten. Er hatte sich nicht geirrt. Einige große Haufen Dürrzeugs waren aufgeschichtet. Mit Hilfe des Pulvers machte er Feuer; die Nacht wurde erleuchtet, und im Schein der Flammen sah er eine Menge zurückgelassener Spieße und Decken liegen. Diese boten ein willkommenes Brennmaterial. Er überließ die Sorge für die Unterhaltung des Brandes einigen herbeieilenden Arbeitern und kehrte an die Stelle zurück, an welcher sich der nächtliche Angriff in einen fürchterlichen Einzelkampf aufgelöst hatte.
Dieser hätte einem nicht beteiligten Zuschauer Gelegenheit gegeben, Taten zu beobachten, für welche der zivilisierte Boden kaum einen Platz haben dürfte.
Die Schar der Bahnarbeiter bestand begreiflicherweise zwar meist aus Leuten, welche ihre Kräfte in den Stürmen des Lebens geübt hatten; aber der Kampfart der Indianer, welche jetzt beim Schein der Feuer ihre Lage überblicken konnten und dabei bemerkten, daß sie an Zahl den Gegnern vollständig gewachsen seien, konnte wohl keiner von ihnen nachhaltigen Widerstand leisten, und wo nicht mehrere von ihnen gegen einen vereinzelten Indsman standen, behielt dieser gewiß die Oberhand, und die Stätte bedeckte sich immer mehr mit den unter dem wuchtigen Hieb des Tomahawk Gefallenen.
Nur drei von den Weißen waren mit dieser Waffe versehen: Sam Fire-gun, Dick Hammerdull und Pitt Holbers, und es zeigte sich da allerdings, daß bei gleichen Waffen der zähere und intelligentere Weiße meist im Vorteil ist.
Mitten unter einem Haufen Wilder hielt Fire-gun; in seinem von dem flackernden Licht beschienenen Angesicht sprach sich ein Gefühl von jener Kampfeswonne aus, welche das verfeinerte Urteil leugnet, die nichtsdestoweniger aber doch eine oft bewiesene Wahrheit bleibt. Er ließ sich von den andern die Indianer in das Schlachtbeil treiben, welches, von seiner riesenstarken Faust geführt, bei jedem Schlag zerschmetternd auf den Kopf eines Feindes sank.
Seitwärts von ihm stand ein fast drollig zu nennendes Heldenpaar, trotz der Verschiedenheit ihrer Gestalt mit dem Rücken gegeneinander gekehrt, ein Verfahren, welches die beiden originellen, aber erfahrenen Jäger vor einem Angriff von hinten beschützte: Dick Hammerdull und Pitt Holbers. Der kleine Dick, der auf jeden Fremden in seinem Anzug den Eindruck der Unbehilflichkeit machen mußte, zeigte sich hier von einer wahrhaft katzenartigen Behendigkeit. In der Linken das scharfe, zweischneidige Bowiemesser und in der Rechten das schwere Schlachtbeil schwingend, hielt er jedem Gegner tapfer Stand. Sein langer Rock, Flick auf Flick und Fleck auf Fleck, ließ die auf ihn gerichteten Messerstiche vollständig unschädlich abprallen. Pitt, der Lange, stand hinter ihm und fuhr mit seinen Armen in der Luft herum wie ein Polyp, welcher die gefährlichen Fänge ausstreckt, um seine Beute an sich zu ziehen. Sein Körper, welcher nur aus Knochen und Sehnen zusammengesetzt schien, entwickelte eine außerordentliche Kraft und Ausdauer; das Beil fiel bei ihm aus doppelter Höhe; er griff weiter von sich als jeder andere, aber seine großen Füße rührten sich keinen Zoll breit von der Stelle, und wer ihm so nahe kam, daß er gefaßt werden konnte, der war rettungslos verloren.
Und noch zwei ragten unter den weißen Kämpfern hervor: die beiden Deutschen. Sie hatten die Tomahawks gefallener
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