08 - Old Surehand II
schon, wenn ihr mich nicht zu lange warten laßt!“
„Je eher, desto lieber ist es uns. Iß und trink, alter Schießprügel, und dann mag es vorwärts gehen!“
Ihr könnt euch denken, Mesch'schurs, daß mich diese sonderbaren Männer und Gestalten lebhaft interessierten. Ich hätte gern näheres über sie erfahren, doch ist es im Westen nicht immer geraten, neugierige Fragen auszusprechen. Von Peter Polter hatte ich einmal gehört. Er war, ganz nur zum Zeitvertreib, den Arkansas heraufgekommen und hatte hier bei Winklay die Bekanntschaft einiger Trapper gemacht, denen es ein Spaß gewesen war, den eigentümlichen Kerl mit in die Prärie zu nehmen. Er hatte sich da gar nicht übel benommen und trotz manchen Ulkes, der von ihm losgelassen war, sogar die Teilnahme Old Fire-guns gewonnen. Man hatte ihm trotz seiner Schrullen gut sein müssen und ihn dann, als er wieder nach dem Osten ging, nur ungern fortgelassen.
Jetzt saßen die vier Männer essend und trinkend in meiner Nähe, und ich hörte, daß der Feine den Wirt leise fragte, wer ich sei. Als er Auskunft erhalten hatte, drehte sich Peter Polter, der mit dem Rücken nach mir saß, zu mir um und sagte:
„Ich höre, daß Ihr Indianeragent seid, Sir. Kommt Ihr von den Roten oder wollt Ihr hin?“
„Ich will hin, Mr. Polter“, antwortete ich.
„Allein?“
„Nein. Diese Boys hier begleiten mich.“
„Den Arkansas aufwärts?“
„Auch nicht. Wir wollen zunächst in die Berge zu Sam Fire-gun reiten.“
„Halloo! Da haben wir ja den gleichen Weg! Wollt Ihr mit uns?“
„Ganz gern.“
„So habt die Güte, Euch hier an unsrem Tisch vor Anker zu legen! Als Indianeragent seid Ihr ein Gentleman, der den Westen kennt und dem wir Vertrauen schenken können. Wenn Ihr mit uns reitet, müßt Ihr wissen, weshalb wir hier sind und was wir bei Sam Fire-gun wollen. Also kommt herüber und staut Euch fest bei uns!“
Ich setzte mich zu ihnen und erfuhr nun folgendes: Derjenige von den dreien, nämlich der Blonde, den ich sogleich für einen Deutschen gehalten hatte, war unten in Van Buren mit einem gleichaltrigen Mann zusammengetroffen, der ebenso wie er nach dem Westen wollte; er hatte Wohlgefallen an ihm gefunden und ihm in unvorsichtigem Vertrauen alle seine Verhältnisse und Absichten mitgeteilt. Beide hatten zwei Tage lang zusammen gewohnt und in demselben Zimmer miteinander geschlafen; als Heinrich Wallerstein, denn dieser war es, am dritten Morgen erwachte, war sein neuer Bekannter fort, aber nicht allein, denn er hatte während der Nacht alle Taschen Wallersteins ausgeleert und nicht nur seine Legitimationen und Briefe, sondern auch sein ganzes Geld, seine Uhr und was sonst noch Wert hatte, mitgenommen. Wallerstein war von allen Mitteln entblößt, konnte also nicht weiter, konnte nicht einmal den Wirt bezahlen und wendete sich in seiner Aufregung an die Polizei, deren Bescheid in einem mitleidigen Achselzucken bestand. Als er enttäuscht in sein Gasthaus zurückkehrte, machte ihn der Wirt auf einen Fremden aufmerksam, der eben angekommen war und ihn vielleicht irgendwie unterstützen werde, weil er auch ein Deutscher sei. Dieser Mann war Peter Polter, der Steuermann, der jetzt wieder nach dem Arkansas kam, um sich abermals das Vergnügen zu machen, den Westmann zu spielen. Kaum hörte der brave Seebär von der Not, in welcher sich Wallerstein befand, so war er zu aller möglichen Hilfe bereit, und als er gar das Nähere erfuhr und daß Sam Fire-gun der Oheim Wallersteins sei, da war er ganz entzückt über seinen neuen Bekannten und versprach, den Neffen so schnell wie möglich zu Old Fire-gun zu bringen; denn daß der Dieb auch zu diesem sei, um sich für seinen Neffen auszugeben, daran war nicht zu zweifeln. Eben bestimmten die beiden, daß sie sogleich aufbrechen wollten, als ein Herr eintrat und sich bei dem Wirt nach dem bestohlenen Mr. Wallerstein erkundigte. An diesen gewiesen, brachte er eine Photographie zum Vorschein, zeigte sie ihm und fragte ihn, ob er den Mann kenne; es war das Bild des Diebes. Dieser war ein von der Polizei schon längst und mit Eifer gesuchter Gauner, Fälscher und Betrüger, dessen Spur vor einem halben Jahr nach dem Arkansas geführt hatte, dann aber nicht weiter zu verfolgen gewesen war. Vorgestern sollte er hier in Van Buren wieder gesehen worden sein, und wenn Wallerstein vorhin von der Polizei kurz abgewiesen worden war, so hatte diese doch gleich nach seinem Fortgang das Wiederauftauchen des Verfolgten mit dem
Weitere Kostenlose Bücher