08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
alten irischen Totengott Donn, der die Seelen der Verstorbenen auf seinem Totenschiff sammelte und in die Andere Welt hinüberbrachte. Mit seinem Vergleich hatte sich Dathal sofort die Kritik von Bruder Tola und Schwester Ainder zugezogen, aber doch für eine düstere Stimmung unter den verbleibenden Pilgern gesorgt.
Immer wieder hatte Fidelma die Tatsachen erwogen und versucht, einen winzigen Faden zu finden, der zur Lösung des Rätsels führen könnte. Was den Mord an Toca Nia betraf, so schwor Cian, daß er das Schiff gleich nach Mitternacht verlassen habe, nachdem die letzten Passagiere und Matrosen von der Insel zurückgekehrt waren. Gurvan bestätigte, er habe einige Zeit später bei Toca Nia hineingeschaut und ihn friedlich schlafend vorgefunden. Wenn Cian über den Zeitpunkt, an dem er von Bord ging, die Wahrheit sagte, dann war er schuldlos.
Fidelma blickte zu den schlaffen Segeln auf und faßte einen Entschluß.
»Vielleicht können wir dieses Wetter doch noch gut nutzen«, meinte sie fröhlich.
»Wie das?« erkundigte sich Murchad.
»Ich habe schon seit Tagen nicht mehr gebadet. Auf Ushant hatte ich keine Zeit dazu, und ich fühle mich schmutzig. In dieser ruhigen See kann ich ein wenig schwimmen und mir den Dreck vom Körper spülen.«
Murchad schaute verlegen drein.
»Wir Seeleute sind daran gewöhnt, Lady. Aber wir haben keine Gelegenheit für Frauen zum Baden.«
Fidelma warf den Kopf zurück und lachte.
»Hab keine Angst, Murchad. Ich werde euer männliches Schamgefühl nicht verletzen. Ich behalte ein Hemd an.«
»Es ist zu gefährlich«, wandte er kopfschüttelnd ein.
»Wieso? Wenn deine Matrosen sich bei so ruhigem Wetter sauber schwimmen können, warum kann ich das dann nicht?«
»Meine Matrosen kennen die Tücken der See. Sie sind gute Schwimmer. Was ist, wenn Wind aufkommt? Das Schiff kann eine weite Strecke zurücklegen, bevor du wieder heranschwimmen kannst. Du hast doch gesehen, wie schnell der arme Bruder Guss achteraus trieb.«
»Die Gefahr ist doch dieselbe, ob man Matrose oder Passagier ist«, konterte Fidelma. »Was machen denn deine Leute?«
»Sie schwimmen an einem Tau festgebunden.«
»Dann mache ich das auch so.«
»Aber …«
Murchad fing ihren Blick auf und las ihre Unnachgiebigkeit darin. Er seufzte tief.
»Na gut.« Er rief den Steuermann. »Gurvan!«
Der Bretone kam herbei.
»Fidelma will das ruhige Wetter nutzen und neben dem Schiff schwimmen. Sieh zu, daß man ihr ein Tau um den Leib bindet und an der Reling befestigt.«
Gurvan zog die Brauen hoch und öffnete den Mund, als wolle er protestieren, doch dann entschied er sich dagegen.
»Von wo aus willst du schwimmen, Lady?« fragte er resigniert.
Fidelma lächelte. »Welches ist die Leeseite? So nennt ihr doch die windgeschützte Seite des Schiffes?«
Gurvans Gesichtsmuskeln zuckten, und einen Moment schien es, als wolle er ihr Lächeln erwidern.
»Das stimmt, Lady«, antwortete er ernst. Er wies auf die Steuerbordseite. »Dort findest du ruhiges Wasser, wenn auch im Augenblick kein Wind weht. Aber wenn er aufkommt, denke ich, dann von Backbord.«
»Bist du ein Prophet, Gurvan?«
Der Bretone schüttelte den Kopf. »Siehst du die Wolken dort im Nordwesten? Die bringen uns bald Wind, also bleib nicht zu lange im Wasser.«
Fidelma trat an die Reling und blickte hinunter auf die See. Sie schien recht ruhig.
Sie wollte gerade ihre Kutte ausziehen, doch sie hielt inne, als sie Gurvans ängstliche Miene sah.
»Hab keine Angst, Gurvan«, sagte sie fröhlich. »Ich behalte meine Unterkleidung an.«
Trotz seines dunklen Teints schien Gurvan zu erröten.
»Halten Nonnen es nicht für eine Sünde, sich vor anderen zu entblößen?«
Fidelma verzog spöttisch das Gesicht und zitierte: »›Und der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. Und er sprach: Wer hat dir’s gesagt, daß du nackt bist?‹ Ich glaube, Gott wollte damit sagen, daß die Sünde im Geist des Betrachters liegt und nicht in seinem Blick.«
Gurvan war immer noch ganz verlegen.
»Aber wie ich schon sagte, ich werde nicht nackt sein. Nun laß mich schwimmen, ehe der Wind aufkommt.«
Ohne viel Federlesen zog Fidelma ihre Kutte aus. Sie trug immer Unterkleidung aus sról – Seide oder Satin, von gallischen Kaufleuten eingeführt. Diese Gewohnheit hatte sie als Mitglied der Königsfamilie von Cashel angenommen, und es war
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