08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
nächstes vor?« erkundigte sich Murchad.
»Ich werde Muirgels Kajüte und ihre Habseligkeiten gründlich durchsuchen.«
Murchad ließ sie nur widerwillig gehen.
»Nun, halte mich auf dem laufenden. Und sei vorsichtig. Wer einmal getötet hat, hat keine Hemmungen, es noch mal zu tun, besonders, wenn er denkt, du bist ihm dicht auf der Spur. Ich kann nicht wie du glauben, daß die Gefahr vorbei ist.«
Sie lächelte ihm von der Tür aus zu.
»Mach dir keine Sorgen um mich, Murchad«, sagte sie. »Ich bin sicher, daß dieses Verbrechen der Leidenschaft entsprang und nur Schwester Muirgel galt.«
Draußen war es jetzt ganz hell. Der Himmel war klar und blau, doch der Wind wehte frisch und kühl. Das Morgenrot war verschwunden; es kündigte meist Windstille an, der aber bald schlechtes Wetter folgen würde. Kein Wetterumschlag vollzieht sich ohne Vorzeichen. Fidelma hatte von Kindheit an gelernt, die Zeichen am Himmel zu beachten. Man mußte sie erkennen und richtig zu deuten wissen. Jetzt war es hell, und die blasse Sonne würde hoffentlich noch wärmer scheinen, aber sie bezweifelte es. Schlechtes Wetter zog heran. Sie fragte sich, was aus dem Glauben des Kapitäns an den »kleinen Sommer des heiligen Lukas« geworden war.
Sie ging hinunter in den Kajütenbereich und blieb stehen, als sie Stimmen vom Messedeck hörte. Die Pilger saßen noch beim Frühstück. Das war die beste Gelegenheit, Schwester Muirgels Kajüte und Habseligkeiten zu durchsuchen, ohne dabei gestört zu werden. Später konnte sie ihnen ihren Verdacht eröffnen, doch sie hoffte, zugleich enthüllen zu können, wer Muirgel über Bord gestoßen hatte.
Das Problem lag darin, daß mehrere Personen die Gelegenheit gehabt hatten, Schwester Muirgel umzubringen, und deshalb unter offensichtlichem Verdacht standen. Nur kam es nach ihrer Erfahrung niemals auf das Offensichtliche an. Aber was tun, wenn man zu viele Verdächtige hatte? Sie gab es ungern zu, auch nicht vor sich selbst, aber sie wünschte, Bruder Eadulf wäre da und sie könnte ihre Überlegungen mit ihm besprechen. Oft hatten seine Kommentare die Lage für sie erhellt.
Sie betrat die dunkle, übelriechende Kajüte und entzündete eine Lampe an der Laterne, die im Durchgang hing. Sie blickte sich um, ob sie unbeobachtet sei, und schloß die Tür hinter sich.
Ein paar Decken lagen im Knäuel auf der Koje, die Schwester Muirgel benutzt hatte. Fidelma hob die Lampe hoch und blickte sich um. Die Kajüte enthielt kaum etwas von Interesse, kein Gepäck, keine Papiere oder Bücher, die einen Anhalt geboten hätten.
Sie schaute in den Ecken nach Schränken oder Haken. Von Schwester Muirgels Gepäck war nichts zu sehen. Jemand mußte es wohl auf die Koje gestellt und mit den Decken verhüllt haben. Sie erinnerte sich nicht, daß die Kajüte so unaufgeräumt gewesen war, als sie mit Wenbrit herkam, um Muirgels Kutte zu untersuchen. Die Kutte hatte sie Murchad übergeben, für den Fall, daß sie als Beweisstück gebraucht wurde.
Sie setzte die Lampe neben der Koje ab und beugte sich vor. In dem Moment packte sie eine schauerliche Vorahnung. Die Decken, das sah sie erst jetzt, verdeckten eine menschliche Gestalt. Den Bruchteil einer Sekunde zögerte sie, dann zog sie eine Decke fort.
Dort lag eine Frau auf dem Rücken, nur in ihrer blutgetränkten Unterwäsche. Die Augen waren noch offen, und das Blut kam in kleinen Stößen aus einer unregelmäßigen Schnittwunde am Hals, die die Schlagader durchtrennt hatte. Die dunklen, erstarrenden Augen wandten sich stumm und bittend Fidelma zu, dann zuckten die Lippen, brachten noch ein gurgelndes Geräusch zustande und färbten sich mit Blut.
Fidelma beugte sich rasch über sie.
Es gab ein letztes krampfhaftes Atemholen, aber keine Worte mehr. Die sterbende Frau schien Fidelma eine geballte Faust entgegenzustrecken.
Dann sank der Kopf kraftlos zur Seite, und Blut schoß aus dem halbgeöffneten Mund. Die Faust löste sich, und etwas fiel klappernd zu Boden. Fidelma bückte sich unwillkürlich und hob es auf. Es war eine kleines silbernes Kruzifix an einer zerrissenen Kette.
Fidelma stand langsam auf und hielt die Lampe höher, um der Frau ins Gesicht zu sehen. Verwirrt schaute sie sie an und versuchte das, was sie vor sich sah, mit den Ereignissen der letzten vierundzwanzig Stunden in Einklang zu bringen.
Die tote Frau, die mit kurz zuvor durchschnittener Kehle auf der Koje vor ihr lag, war Schwester Muirgel.
K APITEL 14
»Das verstehe ich nicht«,
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