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persönlich nehmen?", murmelte ich und nahm die letzten vier Stufen mit einem Sprung. „Da lang. Dann rechts. Dann sind sie immerhin freundlich zu dir gewesen?"
„Klar."
„Gut. Hör mal, ich finde es wirklich gut, dass du hier bist..."
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„Du bist die schlechteste Lügnerin in dieser Galaxie."
„Ach, halt den Mund. Wie dem auch sei. . Ich habe Baby Jon Sinclair irgendwie aufgezwungen . ."
„Das wusste ich bereits. Die ganze Straße weiß Bescheid", fügte sie freundlicherweise hinzu.
„.. weil wir doch jetzt seine Eltern sind und wir lernen müssen, eine Familie zu sein ..."
„Hm, ja. Erzählst du noch etwas, das ich nicht weiß?"
„.. aber solange ich hier bin, kann ich ihn nicht die ganze Zeit im Auge behalten."
„Es macht mir nichts aus, auf ihn aufzupassen . . nicht viel. . aber du weißt, dass er nur bei dir so süß und verschmust ist. Bei mir .. " Sie seufzte. „Bei jedem anderen hat er eine Kolik nach der anderen."
„Tut mir leid, Jess. Ich kann nichts dafür. Aber ich weiß es zu schätzen, dass du ihn übernimmst."
Sie winkte ab und schwenkte gehorsam nach links, als ich in diese Richtung zeigte. Jetzt befanden wir uns in einem schmaleren Flur, der mit Parkett, nicht mit Teppich, ausgelegt war. Hier war der Duft von Essen sehr stark.
„Wenigstens hast du den Jungen gut abgerichtet. Er schläft den halben Tag und die halbe Nacht."
„Er ist wirklich sehr lieb", bettelte ich.
Jessica schnaubte verächtlich und stieß mit ausgestreckten Armen die Schwingtür zur Küche auf.
Wie alles andere auch, ließ die Küche der Wyndhams meine eigene aussehen wie ein Esseckchen. Mindestens vier Tische -die Sorte, auf denen man alles schneiden konnte - mit hohen Beinen. Noch ein großer Tisch mit Marmorplatte, wahrscheinlich zum Backen. Drei Kühlschränke. Noch eine Tür, die in einen Gefrierschrank in Industriegröße führte. An jeder Seite 42
befanden sich riesige Fenster, von denen eines den Blick auf einen Küchengarten freigab. Durch die Fenster an der gegenüberliegenden Seite sah man auf den Atlantik.
„Daran könnte ich mich gewöhnen", bemerkte Jessica.
„Dann kauf dir so etwas. Du hast doch sicher allein in deinen Sofakissen genug Geld versteckt, um eine Anzahlung zu machen."
Jessica zuckte die Achseln und ging zu einem der Kühlschränke, während ich mich auf einen Barhocker setzte. „Ich mag unser Haus in St. Paul."
Ich nickte. Vorher hatte sie in einem ganz normalen Haus am Stadtrand gelebt. Sie hatte nie so gewohnt, sich gekleidet, gegessen oder ausgesehen, als wäre sie reich. Das war eine der vielen Seiten an ihr, die sie so liebenswert machten.
„Bist du denn nicht. . äh .. hungrig?" Jessica hatte sich einen Apfel und eine Diätcola genommen. Na warte, wenn ich das Marc petzen würde! In seinen Augen war es von der Diätlimo zur Salzsäure nur ein kleiner Schritt.
„Nee. Sinclair und ich haben uns gestern Nacht aneinander bedient. Damit komme ich ein paar Tage aus."
„Gut zu wissen. Wenn du durchdrehst und aus Versehen an einem der Gastgeber knabberst. ."
„Schon klar, ich habe verstanden. Als wenn ich nicht schon selber daran gedacht hätte. Für wie dumm hältst du mich eigentlich?"
Ihre Antwort ging in einem lauten Krachen unter, als sie in den Apfel biss . .
was wahrscheinlich auch besser so war.
„Also, diese Jeannie scheint nett zu sein." Jessica kaute langsam.
„Seht." Ich legte den Finger an die Lippen.
Jessica kaute und mampfte ihren Mclntosh und knurrte 42
praktisch vor Vergnügen eine gute Minute lang, bis die Türen aufschwangen (Werwölfe wussten sicher, wenn sich jemand auf der anderen Seite befand; wahrscheinlich weil sie ihn riechen konnten), und herein kam Jeannie mit einem kleinen Kind im Arm und Lara im Schlepptau.
„Hallo", sagte Jeannie. Das Kleinkind, ein Junge mit den blonden Locken und blauen Augen seiner Mutter, winkte uns mit seinem pummeligen Händchen zu. „Hast du gut geschlafen?"
„Wie eine Tote", sagte ich gut gelaunt.
Jeannie rollte mit den Augen und imitierte Jessica dabei bemerkenswert gut.
Sie setzte den Jungen vorsichtig in einen Hochstuhl, legte ihm den Gurt um und begann dann, in einem Schrank nach Kindernahrung zu wühlen.
„Mmmmph gmmmmmph mmmmm nughump mph", bemerkte Jessica.
Winzige Apfelstückchen flogen wie Granatsplitter durch die Gegend.
„Sie hat nicht gewusst, dass du noch ein Kind hast." Oder vielleicht hatte sie es auch vergessen .. Als die Wyndhams uns das letzte Mal einen Besuch
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