080 - Die Vampir- Oma und ihre Kleinen
sehr“, mischte ein anderer Lehrer sich ein. „Früher konnte man sich mit einer Backpfeife Respekt verschaffen, wenn es gar nicht mehr anders ging.“
„Sie wissen, daß ich ein strikter Gegner körperlicher Züchtigungen bin“, antwortete Rektor Bauer. „Es gibt andere Mittel. Nun wieder zu Ihnen, Fräulein Holzbauer. Was haben Sie zu den Ausführungen von Herrn Gerra zu sagen?“
„Wir wissen doch alle, daß Kinder nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können wie Erwachsene. Was Tierquälerei angeht, nun, Kinder machen sich einfach keine Vorstellung von den Qualen, die sie einem Tier zufügen. Und Raufereien und Prügeleien auf dem Schulhof und in der Schule kommen jeden Tag vor. Man sollte ein Auge auf Martin Roemer, Harald Finck und Erika Möller haben, aber so schlimm sind sie auch nicht.“
Gerra wollte etwas sagen, aber der Rektor winkte ab.
„Wir wollen hier keine Bagatellen hochspielen. Auf der anderen Seite müssen wir die Einflüsse steuern, denen die Kinder und die ganzen Klassen ausgesetzt sind. Schicken Sie die drei morgen zu mir, Fräulein Holzbauer, ich will mich mit ihnen befassen. Vielleicht kann ich sie zur Räson bringen. Falls das nicht hilft, wäre ein Gespräch mit den Eltern angebracht.“
Die Konferenz wandte sich anderen Themen, anderen Schülern zu. Als Rektor Bauer gegen 18.00 Uhr die Konferenz beendete, trat der Sportlehrer Richard Reimer auf Gerda Holzbauer zu.
„Einen Augenblick noch, Fräulein Holzbauer“, sagte er, während die andern in Gruppen miteinander plaudernd den Raum verließen. „Ich möchte noch eine Sache erwähnen, die einen der drei von Ihnen erwähnten Schüler angeht. Als ich gestern die Turnhalle aufschloß, war der kleine Martin Roemer drinnen. Die Tür war versperrt, die Fenster sind drei Meter über dem Boden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß ich ihn eingeschlossen habe. Als ich ihn zur Rede stellte, grinste er nur. Naja, da zog ich ihn an den Ohren und schickte ihn weg.“
„Sind Sie sicher, daß es Martin Roemer war? Ich kann ihn und Harald Finck nicht auseinanderhalten. Es ist unglaublich, wie ähnlich sich die beiden Jungen sehen. Man könnte glauben, sie seien Zwillinge.“
Der Sportlehrer zuckte die Schultern.
„Seinen Namen sagte er mir und ich nehme an, daß es Martin Roemer war. Ganz sicher bin ich allerdings auch nicht. Es ist ein Kreuz mit den Bengels. Wie der Martin nur in die
Turnhalle gekommen ist? Ich wollte vorhin nicht auch noch in den Chor einstimmen, aber im Sportunterricht bringen die beiden und Erika Möller die ganze Klasse durcheinander. Die drei sind eine wahre Landplage. Hoffen wir, daß der Rektor etwas ausrichten kann. Ich frage mich, wie Sie mit den dreien zurechtkommen, denn Sie haben ja am meisten mit ihnen zu tun.“
Gerda Holzbauer mußte sich beherrschen, um nicht all ihre schlechten Erfahrungen mit dem bösen Dreigespann aufzuzählen. So etwas von Bosheit und Verstocktheit hatte sie noch nicht erlebt. Die drei tyrannisierten die ganze 1 b, wurden von Tag zu Tag schlimmer. Doch Gerda Holzbauer schrieb das ihren schlechten pädagogischen Fähigkeiten zu.
„Ich bin sicher, daß man mit Liebe und Güte bei jedem Kind etwas erreichen kann“, sagte sie. „Auf Wiedersehen, Herr Reimer.“
Der lange Sportlehrer sah Gerda Holzbauer nach, als sie die Treppe hinunterging. Sie war klein, brünett, energisch und lebhaft. Die hübsche Kollegin gefiel Richard Reimer sehr, doch bisher hatte es nur zu beruflichen Kontakten gereicht. Reimer hoffte, das in der nächsten Zeit ändern zu können.
Am nächsten Tag, gleich in der ersten Stunde, wurden Martin Roemer, Harald Finck und Erika Möller zum Rektor zitiert. An der eifrig auf der Schreibmaschine klappernden Sekretärin vorbei gingen sie ins Arbeitszimmer des Rektors. Der Platz vor dem hellen Schreibtisch war von allen Schülern gefürchtet, denn hier kam nichts Gutes zur Sprache.
Auf diesem Platz standen nun die drei aus der 1b. Karl Bauer, der Rektor, saß hinter seinem peinlich aufgeräumten Schreibtisch und sah sie streng an. Er war ein kleiner, beleibter Mann mit einem breiten, fleischigen Gesicht. Er trug eine goldgeränderte Brille, hatte eine gesunde Gesichtsfarbe und braunes, akkurat geschnittenes und gescheiteltes Haar.
Der Rektor konnte freundlich und gütig, aber auch streng dreinschauen. Seine seltenen Zornanfälle waren gefürchtet.
„Ich habe mit euch dreien zu reden“, sagte er. „Mir kommen da Sachen zu Ohren, die mir
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