0802 - Der Wächter
hatte.
Abwarten und hingehen…
Nichts rührte sich. Ich schlich wie ein unheimlicher Wiederkehr er durch die alte Klosterruine und hatte dabei sehr oft den Eindruck, den Atem der Vergangenheit einzusaugen. Staub der Geschichte. Diese Mauern hatten alles gesehen. Liebe, Hass, Tod, Grauen und auch Einsamkeit. Eine nahezu bewegungslose Stille hielt mich umfangen. Die Wüste lag außerhalb der Mauern, doch was sich dort abspielte, das bekam ich hier nicht mit. Die Stimmen der Wüstentiere waren verstummt, kein fernes Heulen mehr, kein Schrei, und auch kein Kratzen oder Huschen.
Nur die Ruhe…
Ich ging und bewegte dabei meinen Kopf. Immer wieder schaute ich in Lücken hinein, wo ich nie etwas erkennen konnte, doch ich holte auch nicht meine Lampe hervor. Ein wanderndes helles Ziel wollte ich nicht abgeben.
Die Kreaturen der Finsternis waren mit allen Wassern gewaschen, das wusste ich. Sie kannten die Tricks, denn sie waren Geschöpfe der Magie und hatten sich in den Millionen und Abermillionen Jahren sehr gut angepasst. Wie Menschen sahen sie aus, aber hinter ihnen, jenseits der Gesichter verbarg sich die Wahrheit.
Ich hatte sie erlebt mit ihren Hunde-, Schweine- und Monsterschnauzen, mit mörderischen, raubtierhaften Reißzähnen, die Menschen blitzschnell zerfleischen konnten. Ich kannte ihre gewaltige Gier nach Blut und Leben, sie standen voll auf der Seite des Urbösen, und jetzt hatten sie sich auch indirekt mit den Erzdämonen und deren Horror-Reitern zusammengetan, was mir überhaupt nicht gefiel.
Lange Zeit hatten sie sich im Hintergrund gehalten. Es hatte Jahre gedauert, bis ich überhaupt erst auf sie aufmerksam geworden war, nun aber verdichteten sich die Begegnungen zwischen uns, denn ich war in ihre Kreise hineingeraten.
Rechts von mir lag eine nicht so hohe Mauer, die leicht zu erklettern war. Ich stieg hoch und blieb für einen Moment geduckt auf der Krone stehen.
Das alte, schon biblische Gestein bildete einen harten Widerstand unter meinen Füßen. Erst jetzt spürte ich wieder den Wind, der gegen mein Gesicht blies.
Er war kalt, er roch nach Erde und nach einer gewissen Weite.
Kalt war auch das Sternenlicht. Wolken waren keine zu sehen. Weit im Norden stiegen Lichter hoch. Einige von ihnen bildeten Pilze über den Gipfeln, bevor sie zusammensanken und verschwanden.
Wahrscheinlich Leuchtraketen, aber Schüsse hörte ich nicht.
Mein Platz gestattete mir einen relativ guten Überblick. Die Ruine lag wie ein vorgeschichtlicher Baukasten unter mir. Es fehlten nur die Hände, die die einzelnen Steine aufhoben und sie wieder aufeinander schichteten.
Ich setzte meinen Weg in dieser luftigen Höhe fort. So konnte ich auch die Kronen der anderen Mauerreste besser unter Kontrolle halten, aber Smith tat mir nicht den Gefallen, sich mir zu zeigen. Er blieb in sicherer Deckung und lachte sich wahrscheinlich über meine Bemühungen ins Fäustchen.
Vor mir befand sich das Ende der Mauer. Es fiel in Etappen nach unten. Ähnlich wie eine Treppe. Ich lief sie geduckt hinab, stand wieder auf sicherem Boden und war nicht mehr weit von meinem eigentlichen Ziel entfernt. Nur eine schiefe Mauer trennte mich noch von dem kleinen Innenhof mit dem Brunnen.
Sehr langsam schob ich mich hinein. Die zweite Haut wollte einfach nicht weichen. Jeder Schritt konnte ins Verderben führen, in eine tödliche Falle hinein, aber der Brunnen lag so, wie ich ihn verlassen hatte, vor mir.
Der matte Glanz des Mondes strahlte ihn an und gab ihm einen märchenhaften Ausdruck Davor lag der Tote. Er war um keinen Zentimeter zur Seite gelegt worden, aber auch von Bill und Suko entdeckte ich nichts. Die Stille in dieser Umgebung ließ bei mir schon eine gewisse Furcht aufsteigen.
Das schrille Lachen!
Urplötzlich war es da. Es tanzte durch den Hof, es gellte als Echo in meinen Ohren. Es jagte an den Innenseiten der Mauern entlang, und es war wie eine Peitsche, die mich quälte. Ich hatte auf einmal den Eindruck, von diesem verdammten Gelächter eingekreist zu sein. Wenn das stimmte, konnte nicht nur ein Wesen dieses Geräusch ausgestoßen haben.
Schrill und kreissägenhaft bohrte er sich in mein Gehör und tobte durch den Kopf – bis es schließlich ebenso rasch verstummte, wie es aufgeklungen war.
Nichts mehr.
Nur Stille…
Ich ließ einige Sekunden verstreichen. Was immer dieses Lachen auch bezweckt haben sollte, mich hatte es nicht aus dem Konzept bringen können.
Mein Augenmerk galt einzig und allein dem Brunnen. Er musste
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