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0802 - Der Wächter

0802 - Der Wächter

Titel: 0802 - Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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mir drohte ihm keine Gefahr. Er wollte trotzdem, dass ich mich auf den Boden warf, das schrie er mir zweimal zu. »Auf den Rücken mit dir!«
    Ich hätte sogar die Chance gehabt, ihn trotz der schussbereiten UZI zu überrumpeln, ließ das jedoch bleiben und kam seinem Befehl nach. Auf dem Rücken blieb ich liegen. Dabei störte es ihn nicht, dass ich meine rechte Hand noch immer in der Tasche verborgen hielt, denn das Kreuz wollte ich nicht loslassen.
    Er bewegte sich mit kleinen, vorsichtigen Schritten. Mich ließ er nicht aus den Augen. Neben mir blieb er stehen. Die Mündung der Waffe glotzte schräg nach unten. Sie sah aus wie ein leeres Auge, aus dem jeden Augenblick der Tod sprühen konnte.
    »Nur nicht bewegen, Sinclair…«
    »Nein, nein, ich bleib ja liegen. Aber warum die…?«
    »Sei still!«
    Ich hielt den Mund. In manchen Situationen ist das besser, und ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, wie er sich bewegte und leicht geduckt auf den Brunnen zuging, vor dessen Frontseite er stehen blieb und alles unter Kontrolle bekommen wollte.
    Ich schaute zum Himmel.
    Er lag wie ein straff gespanntes schwarzes Tuch über der Ruine.
    Dabei sah ich nur einen Ausschnitt, ein aus dem Gesamten herausgeschnittenes Viereck, auf dem einige Sterne funkelten und blitzend in meine Richtung grüßten.
    In meiner Nähe hatte sich nichts ereignet. Die Unruhe des anderen war für mich nicht nachvollziehbar. Aber es musste etwas gegeben haben, das bei ihm Irritationen ausgelöst hatte. Er schlich um den Brunnen wie ein witterndes Raubtier, allerdings ohne mir dabei sein wahres Gesicht zu zeigen. Dann blieb er stehen.
    Leider so nahe, dass er jede meiner Bewegungen kontrollieren konnte. Ich wollte mich nicht selbst in Schwierigkeiten bringen und hielt mich deshalb so ruhig wie möglich.
    Von mir aus gesehen stand er an der linken Seite. Er wirkte lauernd, er war sprungbereit, als wäre er nur auf ein bestimmtes Ereignis fixiert. Im bleichen Licht der Sterne kam er mir mehr vor wie ein Schattenriss, das einen zittrigen Rand bekommen hatte.
    Ein schneller Blick zu mir.
    Ich grinste schief.
    Das passte ihm nicht. »Das Lachen wird dir vergehen, Sinclair, ich schwöre es.« Dann fügte er etwas hinzu, das mich irritierte.
    »Auch er wird dir nicht helfen können…«
    Er? Wen hatte er damit gemeint? Gab es noch jemand, den Smith fürchten musste? Wenn ja, war sein Verhalten erklärbar. Dann konnte ich mir vorstellen, dass er ziemlich nervös geworden war und sich deshalb so unruhig bewegte, auch immer wieder in die Runde schaute, wobei er selbst den Himmel nicht ausließ. Dorthin blickte er sogar länger und intensiver. Ein paar Mal hatte ich schon die Chance gehabt, mein Kreuz gegen ihn einzusetzen. Ich ließ es noch immer bleiben, weil ich wusste, dass eine Veränderung bevorstand. Sie wollte ich mitbekommen, sie konnte durchaus zukunftsweisend sein.
    Er hatte sie gespürt, ich noch nicht. Es war auch weiterhin sehr still, und nur seine Schritte hörte ich. Unter den Füßen knirschten kleine Steine, manchmal, wenn er den Fuß zu hart aufsetzte, wölkten auch Staubwolken hoch.
    Ansonsten tat sich nichts.
    Oder?
    Ich schloss die Augen für einen Moment, öffnete sie wieder und zwinkerte, denn es tat mir etwas weh, zu lange und zu starr in den Himmel zu schauen.
    Aber dort begann die Veränderung.
    War der Himmel zuvor ein schwarzes Tuch gewesen, gespickt mit kleinen Löchern, durch die das Licht funkelte, so war die Schwärze zwar jetzt noch geblieben, aber etwas anderes schob sich hinein, ohne dass ich erkennen konnte, aus welcher Richtung es kam.
    Der Himmel ist nicht messbar. Es gibt keine Länge, keine Breite und keine Tiefe.
    Man musste ihn einfach so nehmen wie er war.
    Diesmal nicht.
    Es hatte sich etwas getan. Und sollte es tatsächlich eine Tiefe geben, so war aus dieser Tiefe etwas hervorgekommen, das sich immer weiter in meinen Sichtbereich schob.
    Etwas Wolkiges, Unheimliches, mit dem ich so leicht nicht fertig wurde. Ein großer gewaltiger Vorhang, zitternd, wolkig, irgendwo auch allumfassend, der diese Welt hier völlig in seinen Bann ziehen wollte. Ich hielt den Atem an, denn der Vorhang zuerst noch sehr finster – veränderte sich.
    Er gab einen Schein ab.
    Ein zitterndes Etwas, aus zahlreichen Funken oder winzigen Punkten bestehend, ein riesiges Etwas ohne Anfang und Ende, etwas, das in der Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig zu liegen schien, und für das es wohl keine Grenzen gab.
    Weich, flirrend, dunkel

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