0803 - Meleniks Mordnacht
dazu, die beiden unterschiedlichen Tatsachen miteinander zu verbinden. Das alte Israel auf der einen und die Kathedrale auf der anderen Seite. Wo ist da der Knoten, der beides zusammenhält?«
»Den werden wir suchen müssen, Sir.«
»Wissen Sie, John, es fällt mir natürlich schwer, daran zu glauben. Auf der anderen Seite aber haben Sie mir von der Wand berichtet. Bevor sie einstürzte, zeigte sie das Bild dieser Kathedrale. Verdammt noch mal, warum geschah dies?«
»Wir werden in Chartres die Lösung suchen.«
»Und auch finden«, sagte Bill.
Sir James nickte »Meinen Segen haben Sie. Wann wollen Sie fliegen?«
»Morgen Früh. Mit der ersten Maschine nach Paris«, erklärte Bill.
Er war in seinem Element. »Auch die Zimmer in Chartres sind bereits reserviert. Es kann nichts mehr schief gehen. Wir sind dann zu viert und werden die Kathedrale genau unter die Lupe nehmen.«
»Das ist zu hoffen.« Sir James deutete auf die Fotos. »Ich habe sie mir so gut angesehen wie möglich, aber eine Verbindung in das alte Israel oder zu Melenik kann ich nicht feststellen. Schade, dass ich dies sagen muss.«
»Uns ging es nicht anders«, stimmte ich ihm zu.
»Trotzdem«, sagte Bill. »Vor Ort sieht man immer mehr Das brauche ich euch doch nicht zu sagen.«
»Sie werden ja auch fliegen, Mister Conolly. Schließlich ist dieser Fall wichtig.«
»Das meine ich auch.«
Wir redeten nicht mehr lange herum, außerdem musste Sir James zu seinem Termin. Er verabschiedete sich von uns und meinte zu Sheila. »Sie würde ich auch in unser Team aufnehmen.«
Sheilas Augen glänzten. »Ehrlich?«
»Klar.«
»Ich werde es mir überlegen, Sir.«
Bei dieser Antwort verdrehte Bill die Augen. Er sah aus wie jemand, dem man die Suppe versalzen hatte. Sheila aber war in Hochform. Sie fühlte sich als Mittelpunkt und bestimmte auch, wie es weitergehen sollte. »Wisst ihr was, Freunde? Es ist schon ziemlich spät, aber früh genug, um essen zu gehen. Wie wäre es?«
Ich war dafür, die anderen sagten ebenfalls nicht nein, und auch Glenda hatte an diesem Abend nichts anderes vor.
So kam es dann, dass wir bei einem Italiener landeten, wo super gekocht wurde. So gut, dass wir all das vergaßen, was uns in der letzten Zeit bedrückt hatte und wir uns dem Essen und auch dem herrlichen Rotwein aus der Toskana widmeten.
Für den Abend zumindest konnte uns alles andere so ziemlich gestohlen bleiben.
***
War Marie Avide übergeschnappt, oder war sie es nicht? Diese Frage hatte sich der Küster Cocard in der letzten Zeit schon öfter gestellt, denn er hatte immer über die Aussagen der Frau nachdenken müssen. Er konnte es einfach nicht glauben, dass die Augen in einem blutigen Rot geleuchtet hatten, das musste sie sich einfach eingebildet haben.
So die eine Seite.
Die andere aber sah für ihn anders aus. Er wollte nicht behaupten, dass ihm die Kathedrale nicht geheuer gewesen wäre, manchmal jedoch hatte auch ihn ein Gefühl der Furcht überkommen, wenn er sich mit bestimmten Dingen beschäftigte, die dieses Bauwerk betrafen.
Es gab einfach zu viele Gegensätze. Spätestens seit dem neunten Jahrhundert war die Stadt ein Ort der Marienverehrung, was sich natürlich auch auf die Kathedrale niedergeschlagen hatte, denn die Figur der Gottesmutter war oft bildlich dargestellt worden und nicht nur an der Kathedrale, sondern auch an anderen Stellen in der Stadt. Gläubige Wallfahrten nach Chartres, das zwar nicht die Bedeutung von Lourdes erreicht hatte, aber von zahlreichen Menschen als Ort des Heils angesehen wurde. Im Sommer herrschte nahe der Kathedrale stets ein großer Trubel, doch um diese Zeit, im April, da lag der Ort noch wie in einem tiefen Schlaf. Erst im Mai würde der Run beginnen, bis dahin musste noch viel getan werden.
Cocard gehörte zu einer Reihe von Küstern, die das Bistum bezahlte. Ebenso wie die Priester und Dekane, die in der Kathedrale ihre Messen abhielten und ebenfalls auf dem Gelände oder etwas außerhalb davon wohnten. Mit keinem dieser Menschen hatte Cocard bisher über Marie Avides Entdeckung gesprochen. Er wollte sich nicht lächerlich machen und hätte diesen Worten auch keine Beachtung mehr geschenkt, wenn es in seinem Innern nicht etwas gegeben hätte, das er als ein unruhiges Gefühl ansah.
Eine rechte Erklärung konnte er dafür nicht geben, es hing einfach mit dem Bauwerk zusammen, das ihm so recht keinen Trost spenden wollte, wie er es von anderen Kirchen her kannte.
Dabei ging es ihm nicht um das
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