0805 - Der Echsenvampir
wieso du glaubst, der Echsendämon halte sich hier auf.«
»Es ist mehr als deutlich. Ich werte es als eine Kampfansage der Bestie an mich. Eine Internetrecherche brachte Erstaunliches zustande. In der letzten Woche wurden im Altstadtzentrum, also genau dem Gebiet, in dem sich damals die Druckerwerkstätte Hartmanns befand, vier Leichen gefunden. Sie…«
»Lass mich raten«, unterbrach Zamorra. »Sie hatten eine Menge Blut verloren, und man hat ihnen den Kopf auf den Rücken gedreht.«
»Volltreffer.«
»Wir müssen also in der Tat davon ausgehen, dass unser Gegner darüber Bescheid weiß, dass du nach wie vor am Leben bist. Wie auch immer er davon erfahren hat.«
»Schon damals auf Paxos war ich der Überzeugung, entdeckt worden zu sein, doch es stellte sich als Zufall heraus, dass dort Dämonen ihr Unwesen trieben. Hier ist es etwas anderes.«
»Ich vermute, es wird in der Tat eine der Höllenkreaturen entkommen sein, als wir die Dämonenversammlung in der Höhle ausräucherten.« [4]
»Das ist am wahrscheinlichsten.« Andrew begann auf dem wenigen Platz, der in dem Zimmer zur Verfügung stand, unruhig auf und ab zu gehen. »Doch vor allem müssen wir uns den Tatsachen stellen. Und die besagen nun einmal, dass ein mörderischer, uralter Dämon hier sein Unwesen treibt, und darüber hinaus darauf aus ist, mich in die Hölle zu befördern.« Bange Gedanken stiegen in Zamorra auf, als Andrew die letzten Worte aussprach, obwohl dieser damit wahrscheinlich gar nicht auf die makabren Hintergründe angespielt hatte. Seit er Andrew begegnet war, musste er immer wieder über ein Problem nachdenken, das er lange verdrängt hatte. Die Hölle der Unsterblichen… Torre Gerret, sein alter Feind, der einer der zahllosen dort gefangenen potentiell Unsterblichen war… Ein Thema, das ihm mehr als nur einmal Magenschmerzen bereitet hatte und das mit Macht auf seiner Prioritätenliste nach oben drang.
Er atmete geräuschvoll aus. Jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Doch sie würde kommen.
Sie musste kommen, und zwar schon bald, das schwor er sich.
Nicole, die ihm die düsteren Gedanken wohl angesehen hatte, sagte betont locker: »Doch genau da werden wir das Monstrum zuerst hinschicken, ehe es auch nur an dich herankommt.«
***
Einige Minuten später öffnete sich die Tür des Hotelzimmers, und Nicole kam von einem kurzen Ausflug zurück. Sie warf drei Zeitungen unterschiedlicher Dicke aufs Bett. »Für jeden etwas zum Blättern«, meinte sie.
Sie selbst wurde in der Regionalzeitung der Stadt rasch fündig. Ein Bericht über die unheimliche Mordserie befand sich auf Seite 3. Sie überflog ihn, doch er bestand nur aus aufgeblasenen Vermutungen, die sie für nicht weiter erwähnenswert hielt.
Zamorra hingegen pfiff leise durch die Zähne. »Hier ist eine kleine Meldung! Gestern Abend gegen 22 Uhr fand man eine weitere Leiche. Details seien noch nicht bekannt, heißt es.«
»Das war vor sechzehn Stunden«, kommentierte Nicole. »Gerade noch ausreichend.«
Andrew sah verwirrt aus, doch Zamorra wusste sofort, worauf sie anspielte. Mithilfe der Zeitschau würde es ihm bei dieser zeitlichen Distanz gerade noch möglich sein, am Tatort einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, um die Tat beobachten zu können.
Die Zeitschau war eine besondere magische Funktion von Zamorras Amulett. Inmitten des kleinen stilisierten Drudenfußes im Zentrum von Merlins Stern entstand dabei das Abbild der unmittelbaren räumlichen Umgebung, das darüber hinaus auf magischem Weg direkt in die Gedanken der Beobachter projiziert wurde.
Dieses Abbild konnte Zamorra in der Zeit rückwärts laufen lassen - bis zu einer maximalen Grenze von vierundzwanzig Stunden. Danach wäre die erforderliche Kraft so groß, dass Zamorra wohl gestorben wäre - vermutete er. Selbstverständlich war er nie über diese Grenze hinausgegangen, zumindest nicht alleine. Mit Unterstützung von Sid Amos war ihm einmal ein Blick in wesentlich fernere Vergangenheit gelungen, doch damals war er eben von dem ehemaligen Höllenfürsten und seinen Kräften unterstützt worden.
Hatte Zamorra dann den entscheidenden Zeitpunkt gefunden, konnte er den Zeitablauf auf dem Amulett mit dem der Realität synchronisieren - sodass er wie auf einer Videoaufnahme die Vergangenheit in Echtzeit zu verfolgen vermochte.
Ein Hilfsmittel, das sich in Fällen wie diesem schon oft als äußerst zielführend erwiesen hatte; theoretisch sollte es damit möglich sein, den Täter vom
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