0805 - Der Echsenvampir
kein Stein mehr vorhanden. Er war sehr zuvorkommend am Telefon, wollte wissen, wo ich davon gehört habe. Man könne doch nur in sehr alten Dokumenten davon lesen. Er lachte mehrfach ganz aufgeregt. Es kam mir fast so vor, als erhoffe er sich weitere Informationen von mir.«
»Die du ihm reichlich hättest geben können.«
»Ich habe Besseres zu tun, als die Wissenschaft zu revolutionieren.«
»Kann man sagen«, stimmte Zamorra zu.
In der Fußgängerzone bogen sie nach einem kleinen Supermarkt rechts ab und kamen in ein ruhigeres Gebiet. Der Strom der Passanten ebbte ab, denn hier befanden sich nur noch vereinzelt kleine Läden. Als sie ein weiteres Mal abbogen, war weit und breit kein Mensch mehr zu sehen.
Alle Fenster ringsum waren verschlossen, die Vorhänge dicht zugezogen oder gar die Rollläden heruntergelassen. Der Mord, der gestern am späten Abend hier geschehen war, hatte seine Spuren hinterlassen.
»Hier war es«, meinte Nicole und deutete auf die Fassade des Hauses auf der anderen Seite der schmalen Straße. »Ich erkenne es eindeutig wieder.«
»Hallo, Zamorra«, sagte in diesem Moment eine Stimme hinter ihnen.
Der Meister des Übersinnlichen wirbelte herum und starrte den Mann, der ihn mit Namen genannte hatte, überrascht an. »Sid Amos!«
***
Vergangenheit, Mainz 1465
Arthur starrte an die Decke des Zimmers. Dumpf kreisten seine Gedanken immer wieder nur um den einen Moment. Die Sekunde, in der Johanna, seine Blüte, gestorben war, um als vampirische Kreatur wieder aufzuerstehen.
Er sah, wie Asmodis, der Herr der Finsternis, sein oberster und schrecklichster Gegner, aus dem Raum verschwand. Wie in derselben Sekunde die Lähmung von ihm wich… und die grauenhafte Gewissheit sich in ihm ausbreitete.
Johanna war für immer von ihm gegangen. Das Wesen, das in der Druckerwerkstätte zurückgeblieben war, war nichts als ein Dämon, der sich ihrer leiblichen Hülle bediente.
Eine Kreatur der Finsternis, die sein Gegner war.
Und das war noch schlimmer als Johannas Tod.
Denn er musste die Kreatur vernichten, um dem Körper seiner Geliebten Ruhe zu verschaffen.
Wieder und wieder verfluchte er sein Schicksal und diejenigen, die es bestimmten. Warum nur war ausgerechnet er der Auserwählte dieser Generation? Wer hatte ihn überhaupt erwählt, zur Quelle zu gehen, die Unsterblichkeit zu empfangen und ihm damit indirekt die Last aufzubürden, die finsteren Mächte zu bekämpfen, wo immer er ihnen begegnete? Wer war jene geheimnisvolle Instanz, die hinter allem stand?
Die Hüterin der Quelle? Nein, sie selbst war nur Dienerin eines Höheren. Und er, Arthur, war im Grunde genommen nichts weiter als ein Spielball der wirklich Mächtigen, den man nicht gefragt hatte, ob er langlebig sein wollte oder nicht…
Nur einmal hatte er selbst entscheiden können, damals vor der Quelle des Lebens, als er vor der Wahl stand, zu töten oder getötet zu werden. Er hatte entschieden, leben zu wollen, und er hatte gekämpft.
Gekämpft und gesiegt.
Ein Sieg, der schon immer schal gewesen war, und dessen erbärmliche Schmach im Laufe der Jahre in seiner Erinnerung nur schwächer geworden, nie aber ganz verschwunden war. Die Rechnung für diesen Sieg stand offen, das wusste Arthur.
Er war bereit, sie zu begleichen, wenn es eines Tages so weit war.
Doch jetzt, hier und heute, wollte er kein Auserwählter mehr sein. Er wollte nicht mehr Mächten dienen, die so weit über allem standen, dass er nicht einmal ihren Namen kannte.
Er hatte nur noch ein Ziel: Johanna zu erlösen, sie zu rächen - und zu sterben.
Doch wollte er das wirklich? Obwohl er keine Angst vor dem Sterben hatte, obwohl er bereit war, den Weg zu beschreiten, der nach seinem gewaltsamen Tod für ihn vorbestimmt war - trotz dieser Empfindungen regte sich Widerstand in ihm.
Sterben? Den Weg gehen, den die Mächte, deren Marionette er war, für ihn vorbestimmt hatten? Nein!
Er wollte ihnen diesen Triumph nicht verschaffen. Er nicht! Die Hölle der Unsterblichen musste warten…
Er würde sie alle überlisten, alle, die meinten, sein Leben bestimmen zu können. Asmodis, den Echsenvampir, die Hüterin, die letzten Instanzen hinter ihr…
Ein Plan begann in ihm zu reifen.
Von Anfang an war ihm klar, dass in der Druckerwerkstätte die Entscheidung fallen musste. Er musste Johannas Körper erlösen, doch er selbst würde weiterleben. Ohne die Last der Erwählung. Selbst wenn es bedeutete, dass der Echsenvampir ebenfalls entkam.
Denn Arthur
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