0805 - Der Echsenvampir
letzten Tage verbracht hatte. Er atmete tief ein, genoss das frische Gefühl. Vielleicht war es das letzte Mal. Sein Plan war gefährlich, das wusste er. Möglicherweise starb er in wenigen Stunden.
Doch dieses Risiko belastete ihn nur wenig. In all den Jahren hatte er gelernt, mit der Gefahr zu leben.
Entschlossen nahm er den direkten Weg zur Druckerwerkstätte. Die Entscheidung stand unmittelbar bevor.
***
Gegenwart, Mainz
»Ich grüße auch dich, Nicole«, sagte Sid Amos locker, bevor er sich Andrew zuwandte. »Ich muss zugeben, du hast mich überrascht.«
Täuschte sich Zamorra, oder lag tatsächlich Unsicherheit in Amos’ Worten? Immerhin stand dieser einem Mann gegenüber, der vor Jahrhunderten sein ärgster Feind gewesen war, und den er seit einem halben Jahrtausend tot wähnte.
Und den er vor seinem vermeintlichen Tod einer unendlichen Seelenqual ausgesetzt hatte…
Andrew stand wie versteinert. »Asmodis«, kam es über seine Lippen, und Unglauben spiegelte sich in seinen Augen.
»Sid Amos«, widersprach der ehemalige Fürst der Finsternis. »Ich habe vor langem meinen alten Namen abgelegt, ebenso wie mein altes Amt und meine alten Aufgaben. Zamorra wird dir von meiner Wandlung erzählt haben.«
»Du hast zugesehen, wie Johanna starb! Du quältest mich über viele Tage hinweg mit der entsetzlichen Gewissheit, dass sie als Höllenkreatur weiterexistiert!«
»Ich tat viele Dinge, die mein Amt mit sich brachte. Und so sehr ich Johannas Tod heute bedauere, mit etwas Schwund muss man immer rechnen.«
Andrew ballte seine Hände zu Fäusten. »Du…«
Zamorra trat demonstrativ zwischen die beiden. »Es wird schwer für dich sein, es zu akzeptieren, Andrew, aber Sid Amos hat sich tatsächlich gewandelt. Vor allem ist jetzt nicht die Zeit, dich mit ihm auseinanderzusetzen.« Die letzten Worte richtete er schon eher an Amos als an Andrew. »Was treibt dich hierher, Sid?«
»Ich werde euch später davon berichten. Doch zunächst wird es wohl notwendig sein, euch zu helfen. Ich sehe mit einiger Freude, dass ihr bereits den Weg nach Mainz und darüber hinaus hierher an den Ort gefunden hab, an dem der Echsenvampir zuletzt zugeschlagen hat.«
»Du willst dich also an unserer Jagd auf die Bestie beteiligen?«, fragte Nicole. »Warum?«
»Brauche ich denn für alles einen Grund? Vielleicht will ich euch einfach nur zur Seite stehen.«
»In der Tat, du sagst es«, fauchte Nicole angriffslustig. »Du brauchst tatsächlich für alles einen Grund. Was springt für dich dabei heraus, wenn wir den Echsenvampir vernichten?«
Amos seufzte. »Warum nur bist du immer so angriffslustig, Nicole? Doch du hast Recht: diesmal habe ich einen Grund, hier zu sein. Der allerdings weit weniger egoistisch ist, als du es wohl vermutest.« Nach einem kurzen Moment des Schweigens fügte er hinzu: »Und den ich euch jetzt noch nicht nennen werde.«
»Spiel mit offenen Karten, oder lass es«, forderte nun auch Zamorra.
»Ich handele im Auftrag eines anderen«, erklärte Amos mysteriös. »Mehr kann ich nun einmal noch nicht sagen.«
»Du?«, spottete Nicole. »Seit wann nimmst du Aufträge entgegen?«
»Wollen wir nun dem Echsendämon das Handwerk legen oder nicht?«, sagte Amos ungeduldig. »Ihr könnt übrigens froh sein, dass ich zu euch gestoßen bin. Mit euch Dreien rechnet er und hat bereits eine Falle für euch aufgestellt. Ich hingegen«, er grinste, »ich bin ein neuer Faktor für ihn. Er wird erstaunt sein, mich zu sehen.«
»Was weißt du über ihn?« Zamorra beschloss, die kleinlichen Streitereien zu beenden. Amos hatte Recht - es gab Wichtigeres zu tun. Ob es eine glückliche Wahl war, dass Sid Amos Andrew gerade jetzt gegenübertrat, bezweifelte er zwar nach wie vor, doch es war nun einmal nicht mehr zu ändern.
»Ich weiß genug, damit du dir die Anstrengung der Zeitschau ersparen kannst.«
»Du kennst den Aufenthaltsort der Bestie?«
»Ich weiß, wohin er euch locken wollte, sagen wir es so.«
»Wieso bist du so gut informiert?«
»In meiner Zeit als Asmodis arbeitete ich einige Zeit eng mit ihm zusammen, und ich verfolgte seinen Weg in die Bedeutungslosigkeit genau, nachdem…« Er stockte und stieß ein leises Lachen aus. »Nachdem, wie ich immer dachte, er den Auserwählten damals tötete und von ihm bis an die Grenze der Vernichtung verletzt worden war. Doch ich sehe, ich habe mich getäuscht.«
»In der Tat«, brummte Andrew. »Ich lebe, Asmodis!«
»Mancher nennt mich noch so, doch es ist völlig
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