Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0805 - Krallenhand

0805 - Krallenhand

Titel: 0805 - Krallenhand
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
glanzlosen Steinen, und auch ihre Lippen waren sehr blass und zitterten leicht.
    Als sie den Kopf hob, da waren ihre Augen blutunterlaufen. Da ich mich ihr gegenüber hingesetzt hatte, stierte sie mich aus diesen Augen an, bevor sie knurrte, und ihre Stimme hörte sich dabei an, als würde sie aus dem Magen kommen: »Sie haben alles kaputt gemacht!«
    »Tatsächlich?«, höhnte ich. »Sind Sie sich überhaupt bewusst, was Sie da vorgehabt haben?«
    »Sie haben alles zerstört!«
    »Sie wollten einen Menschen töten!«
    »Na und?«
    »Das macht Ihnen nichts aus?«
    »Sie hätten nicht herkommen sollen, Sinclair. Sie nicht und auch die Frau nicht. Jetzt ist es zu spät.«
    »Okay, Mrs. Hurt, bleiben wir bei der Frau. Wo steckt sie? Wo befindet sich Glenda Perkins?«
    Ihr Blick wurde noch düsterer. »Sie ist weg!«
    »Wo, verdammt?«
    »In der Hölle«, sagte sie. »Das Weib befindet sich in der Hölle.«
    Dann fing sie an zu kichern.
    Ich drückte meine Angst um Glenda herunter, griff über den Tisch und fasste nach ihrer Hand. »Wo befindet sich die Hölle? Ist sie hier im Ort?«
    Dinah Hurt lachte nur und wischte dabei ihre Lippen ab, weil dort Speichel klebte.
    »Ist es das weiße Haus?«
    Sie hob die Schultern.
    »Warum, Mrs. Hurt? Warum haben Sie mich töten wollen? Was ist mit dem Kind gewesen, und wer ist das rote Gespenst mit den Totenaugen? Was geht hier vor?«
    Sie hatte den Kopf noch gesenkt gehabt. Nach meiner Frage hob sie ihn sehr langsam an. Die Unterlippe hatte sie nach vorn geschoben, die Augen etwas verengt. Ihr Gesicht sah noch älter aus.
    Die Haut erinnerte mich an graue Baumrinde, durch deren Falten Regenwasser lief. Nur war es hier der Schweiß. »Sie haben alles zerstört, wissen Sie das?«
    »Nein, das weiß ich nicht. Aber Sie werden mir sicherlich sagen, was ich zerstört haben soll.«
    »Alles!«, keuchte sie. »Wir sind auserwählt worden. Wir hätten… wir hätten unsere Frische behalten. Unsere Kraft kehrte wieder zurück. Sie hat sie uns gegeben. Es war ein Austausch, verstehen Sie? Ein Austausch.« Plötzlich fing sie an zu kichern und schüttelte wild den Kopf.
    »Nein, ich verstehe nicht.«
    »Wir gaben ihr die Opfer.«
    »Fiona Finley, zum Beispiel.«
    »Ja.«
    Ich holte tief Luft, da ich mich vor der nächsten Frage etwas fürchtete. »Auch Glenda Perkins?«
    Sie nickte mir zu.
    »Sonst noch wer?«
    »Nein, aber es werden noch viele folgen. Wir sind die Auserwählten. Wir hier in Harrings-on-sea. Wir haben lange genug darauf gewartet. Jetzt ist es so weit.«
    »Auf wen habt ihr gewartet?«
    Zum ersten Mal seit Beginn unseres Gesprächs richtete sie sich auf dem Stuhl sitzend auf. »Wir warteten auf Vanessa. Lange Jahre hat es gedauert, vielleicht sogar Jahrhunderte, aber sie ist wieder da. Begreifen Sie das? Sie kehrte zurück.«
    »Das Totengesicht?«
    »Ja, das Totengesicht, die Krallenhand, und sie hat sich das weiße Haus auf den Klippen ausgesucht. Dort fühlt sie sich wohl, da ist ihre neue Welt.«
    Obwohl die Sorge um Glenda Perkins immer stärker wurde, fragte ich weiter. »Okay, sie ist also da. Warum kehrte sie erst jetzt zurück? Wer war Vanessa?«
    »Eine Frau, die ein Kind hatte.«
    »Susy?«
    »Ja.« Plötzlich lächelte sie. »Immer hat sie behauptet, dass der Teufel der Vater des Kindes wäre. So jedenfalls haben wir es in den alten Kirchenbüchern lesen können. Dann waren es die Bewohner hier leid. Sie fingen die Frau und das Kind. Sie banden beide an den Mast eines Segelbootes fest und schickten sie hinaus auf das Meer. Es muss ein Tag mit günstigen Winden gewesen sein.«
    »Und wann passierte das alles?«
    »Nicht gestern, auch nicht vorgestern. Im letzten Jahrhundert. Da glaubte man hier noch an Hexen, und Vanessa war eine Hexe, ja, sie war es tatsächlich. Sie und ihr Kind. Sie haben hier die Menschen dem Teufel zuführen wollen. Sie haben gepredigt und das Feuer der Hölle als große Erlösung angesehen. Doch die Menschen hier wollten nicht an sie glauben, diese Idioten und Ignoranten. Deshalb banden sie Frau und Tochter an den Mast und schickten das Boot hinaus aufs Meer, wo beide ertrinken sollten.«
    Ähnliche Geschichten und Legenden waren mir bekannt. Schon des Öfteren hatte ich erlebt, dass die Pläne der Menschen nicht so funktionierten, wie es eigentlich hätte sein sollen. Das musste auch hier der Fall gewesen sein. So waren Mutter und Kind zurückgekehrt, beide als Geschöpfe des Teufels.
    Das Haus hatten sie sich als zweite Heimat ausgesucht.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher