0805 - Krallenhand
die Frau noch längst nicht aufgegeben hatte.
Der Stoß erwischte mich in der Rückenmitte.
Mein Fehler!, jagte es mir durch den Kopf. Verdammt, ich hatte nicht mehr an James Hurt gedacht, der sich dicht hinter mir befand.
Er hatte nur die Hand auszustrecken brauchen, um mich nach vorn zu wuchten, auf seine Frau und auf das Messer zu.
Sie wollte mir noch in der Vorwärtsbewegung das Gesicht zerschneiden.
Ich riss die Arme hoch.
Es war gut, denn ich hatte Glück, ihre Arme dicht unterhalb der Handgelenke zu treffen und damit auch die Waffe in die Höhe zu wuchten. Zwar torkelte sie zurück, das kreischende Ding aber ließ sie nicht los.
Sie torkelte über die Schwelle und gelangte in den Flur. Dort konnte sie sich wieder fangen.
Ich wollte ihr nach.
Zwei Schritte kam ich weit. Plötzlich hing mir jemand wie ein schwerer Sack am Körper. James Hurt hatte mich mit beiden Armen umklammert und hatte es auch geschafft, meine Arme so gegen den Körper zu pressen, dass ich im Moment wehrlos war.
Er verstärkte noch den Druck und rief seiner Frau immer wieder einen Satz zu. »Komm her, verdammt noch mal! Los, komm endlich her! Du kannst ihn zerschneiden. Ich halte ihn fest…!«
Da hatte er nicht gelogen. Ich würde mich zwar befreien können, da kannte ich einige Tricks, aber die Zeit drängte, und Dinah war von einer wahren Mordgier besessen, da brauchte ich mir nur ihr verzerrtes Gesicht hinter der Klinge anzuschauen.
»Ssssttt…«
Dieses schreckliche Geräusch malträtierte meine Ohren. Es raste schrill in mein Gehirn, wo es explodierte, als wollte es dort sämtliche Zellen zerstören.
Sie sprang auf mich zu.
Ich wuchtete mich herum. Ich hatte zuvor meine Kräfte sammeln können, drehte mich nach links und zerrte James Hurt mit, der mich nicht losließ, die Bewegung ebenfalls mitmachte und von der Fliehkraft erfasst wurde, weil er außen hing.
Das Messer, das Gesicht der Frau, der wirbelnde Körper, das alles verschwand zu einem rotierenden Schatten mit schrecklichen Geräuschen in seinem Innern, und dann gellte ein wahnsinniger Schrei in meinen Ohren wider.
Ich war durch die halbe Küche gewirbelt und prallte gegen den Herd. Der Mann hatte mich längst losgelassen, so heftig war mein Schwung gewesen. Ich kippte nach vorn und fegte noch einen Wasserkessel von der Platte, der scheppernd auf dem Boden landete.
Dann fuhr ich herum.
Mir bot sich ein Bild des Schreckens. James Hurt lag am Boden und blutete aus einer Wunde am Nacken und am Rücken. Nicht mich hatte das Messer getroffen, sondern ihn. Er hatte versucht, seine Hände nach hinten zu drücken, um sie auf die Wunde zu pressen, was ihm nicht gelungen war. Dicht vor den Wunden schwebten sie in der Luft, wie zwei lahm gewordene Flügel. Er schrie auch nicht, er war nur so schrecklich weiß im Gesicht, eine Folge des Schocks.
Seine Frau stand vor ihm. Sie bewegte sich nicht und schaute auf ihn nieder. Das verdammte Tranchiermesser hielt sie noch immer fest. Blut tropfte von der Klinge.
Das sirrende Geräusch war für mich ein Startsignal. Die Frau nahm kaum zur Kenntnis, dass ich auf sie zusprang. Ich hebelte ihre Arme hoch und drehte sie herum. Sie schrie, als der Schmerz bis zur Schulter hochzuckte. Das Messer ließ sie fallen. Es schepperte zu Boden, wo ich es abstellte.
Dann packte ich die Frau und drückte sie auf einen Stuhl. Ihr Mann war jetzt wichtiger. Er hatte noch immer keinen Laut von sich gegeben. Erst als ich mich bückte, bewegte sich auch sein Mund.
Hechelnde Laute drangen hervor, begleitet von leisen Schreien. Er drehte den Kopf, als ich ihn hochhob und schaute mich aus großen Augen an. Ich schleppte ihn in den Wohnraum, wo ich ihn bäuchlings auf eine Couch legte, damit ich mir die Wunden anschauen konnte.
James Hurt jammerte. Seine Laute erstickten in einem Zierkissen, in das er sein Gesicht gepresst hatte.
Schon beim ersten Hinsehen erkannte ich, dass er unwahrscheinliches Glück gehabt hatte. Die Sägeklinge hatte seinen Hals und seinen Rücken praktisch nur geschrammt.
Dennoch würden die Wunden schmerzen. Er musste in ärztliche Behandlung. Ich versorgte ihn notdürftig, zerschnitt sein Hemd am Rücken, fand Desinfektionsmittel, reinigte die Wunde und kümmerte mich nicht um sein Schreien. Zum Schluss klebte ich Pflaster darauf. Verbandsmull hatte ich nicht gefunden.
Danach ging ich zurück in die Küche. Mrs. Hurt saß am Tisch und starrte ins Leere. In ihren Augen war kein normaler Ausdruck mehr zu sehen, sie glichen
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