0805 - Krallenhand
Von dort aus zogen sie ihre teuflischen Fäden.
Mrs. Hurt grinste mich an. In ihren Augen lag ein Leuchten, das darauf hindeutete, wie sehr sie an ihre alte Freundin, die Hexe, dachte. Sie und ihr Mann standen auf ihrer Seite, sie hatten ihnen Opfer zugeführt, um wieder so etwas wie Jugend zu erleben.
Ich schüttelte den Kopf. »Sie kann nicht gewinnen«, sagte ich leise. »So stark ist sie nicht.«
»Aber sie wird gewinnen!«, keuchte Dinah Hurt. »Das sage ich Ihnen. Sie wird gewinnen.«
»Wer steht denn alles auf ihrer Seite? Alle hier im Ort?«
»Nein, nur wir. Und auch die Durbans wissen Bescheid. Sie geben auf das Haus Acht. Kein Unbefugter soll sie stören, verstehen Sie? Keiner soll hinein.«
»Ja, das habe ich gemerkt. Sie ist da und ihr Kind auch. Lebt es, ist es tot, ist es untot?«
»Es will Blut, glaube ich.«
Darauf ging ich nicht ein. »Ich habe es kennen gelernt. Mir kam es sehr bleich vor, und ich würde auch den Vergleich mit einer lebenden Wasserleiche akzeptieren.«
»Weiß ich nicht.«
»Aber sie sind da.«
Sie nickte.
»Und das Totengesicht hat eine Krallenhand.«
Mrs. Hurt flüsterte mir die Antwort entgegen. »Die ist ihr gewachsen. Es war das äußere Zeichen derjenigen Person, zu der sie sich hingezogen gefühlt hat. Der Teufel hat sie ihr gegeben. Sie ist zurückgekehrt, ein Geist und ein Kind, das lebt, obwohl es aussieht wie eine Puppe.«
»Und Susy Carter heißt.«
»Ja.«
»Aber nicht hier lebt, was alle wohl wissen«
»Das stimmt auch. Die Einwohner wissen Bescheid, aber keiner traut sich, auch nur ein Wort zu sagen. Es ist ebenso. Sie nehmen es hin, sie sind einfach anders geworden. Niemand würde sich jetzt noch gegen die stellen. Sie akzeptieren Vanessa und hoffen, dass sie in Ruhe gelassen werden. Kann sein, dass es zutrifft, denn bald wird das Totengesicht Beute genug bekommen.«
»Die Fremden?«
»So ist es.«
Ich kam wieder auf Glenda zu sprechen und wollte wissen, wer sie in das Haus gebracht hatte.
»Es war mein Mann.«
»Weiter!«
»Sie wird dort sterben.«
»Wie denn?«
»Die Hexe wird ihre Seele nehmen. Sie wird ihr das Leben aussaugen, so hat sie es immer getan.«
»Also wird sie tot sein.«
»Ja!« Dieses Wort glich bereits einem zufriedenen Grunzen, und mir stieg allmählich die Galle hoch.
Ich rechnete nach. Sehr lange war Hurt noch nicht zurück. Hatte Glenda dann noch eine Chance? Ich kannte sie. So leicht gab sie nicht auf. Sie würde versuchen, sich zu wehren, sie würde kämpfen, sie konnte durchaus ihren Tod hinauszögern.
Ich stand auf.
Die Frau grinste mich an. »Jetzt hast du Angst gekriegt, wie?«, keuchte sie. »Angst um diese kleine Gespielin…«
»Ich werde sie schon holen, keine Sorge.«
Mrs. Hurt kicherte. »Als Leiche?«
»Abwarten. Ihnen rate ich, sich um Ihren Mann zu kümmern. Schließlich sind Sie es gewesen, die ihn verletzt hat. Beinahe hätten Sie ihn auch getötet.«
Ihre Antwort hörte ich nicht mehr, da war ich schon gegangen.
***
Über die Treppe kroch das Grauen!
Es war eine Krallenhand – hornig, knotig und widerlich. Das konnte Glenda genau erkennen, denn über die Hand hinweg wehte der rötliche Schein. Er veränderte auch die Farbe der Klaue kaum, die ein seltsames Braun mit beigen Nuancen unterlegt zeigte. Das war nicht die Hand einer Frau, eher die breite Klaue eines Mannes, der seine Fingernägel hatte sehr lang wachsen lassen. Wegen der leicht gekrümmten Finger kratzten die Nägel über das Holz hinweg, als wollten sie den letzten Lack davon entfernen.
Noch etwas sah Glenda.
Dünne, rote Streifen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Nägel mit Farbe bemalt worden waren, das musste schon Blut sein.
Möglicherweise frisches Blut.
Blut von Fiona…
Ihre Kehle saß plötzlich zu, als sie daran dachte, denn sie führte den Gedanken weiter und wusste, dass ihr das gleiche Schicksal bevorstand. Wer immer dort kam, Gnade konnte Glenda von diesem Monstrum nicht erwarten.
Es schob sich näher.
Der rote Schein nahm an Dichte zu und erhielt auch gewisse Umrisse. Glenda schaute gegen eine menschliche Gestalt, wobei sie nicht genau wusste, ob sie es tatsächlich damit zu tun hatte oder ob sie dieses Wesen mehr in die Welt der Geister einordnen sollte.
Der Körper bestand aus einem feurigen Schleier, der sich zum Kopf hin verdichtete.
Es war ein großer Kopf, übergroß, der auch wegen der fremdartigen Augen auffiel. Löcher, die mit kaltem Licht gefüllt waren, sehr grausamen Augen, Laternen
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