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081 - Hexentanz

081 - Hexentanz

Titel: 081 - Hexentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank deLorca
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recht, Monsieur«, überlegte Victor Babeuf. »Die Hölle ist hier. Das ist das Schicksal der Bösen: sie finden niemals Ruhe. Sie haben keinen Ort, an dem sie sich aufhalten dürfen. Das ist der Fluch, unter dem sie leiden. Und sie tun alles, um das zu ändern, sich zu rächen, sich irgendwie schadlos zu halten.«
    Ich wollte Babeuf nicht noch weiter in diese Diskussion locken, die einem Theologen vielleicht einen Schrecken versetzt hätte, weil sie einige Grundsätze seiner Überzeugung in Frage stellte. Konnte man den Begriff Himmel beibehalten, wenn man die Hölle strich? Nun, Victor Babeuf hatte sie nur aus der Unterwelt hervorgeholt und dort plaziert, wo sie seiner Meinung nach hingehörte: auf diese Erde. Er hatte im Grunde nichts verändert.
    »Was sollen wir tun?« fragte ich.
    »Das wollte ich von Ihnen wissen«, murmelte der Invalide.
    »Ich werde mir etwas einfallen lassen«, versprach ich. »Diese Dinge darf man nicht über das Knie brechen.«
    »Gut«, willigte mein unheimlicher Bundesgenosse ein. »Aber wir haben nicht viel Zeit. Solange Fatima Madame Clouet beherrscht, wird es allerhand Ärger geben. Schließen Sie sich gut ein, heute nacht.«
    Ich versprach es, wenngleich ich nicht überzeugt sein durfte, daß es etwas nützte. Für den Astralleib einer Fatima gab es kein Hindernis.
    Wir hörten Schritte auf dem Gang.
    Victor Babeuf fuhr hoch wie ein ertappter Sünder.
    »Das ist die alte Hexe«, zischte er.
    Noch vor kurzem hätte er sich für Madame Clouet in Stücke hauen lassen, hatte gemordet, um ihr zu helfen. Jetzt fürchtete er sie. Sie war ihm über den Kopf gewachsen.
    Der Invalide hinkte zur Tür.
    Er verabschiedete sich wortreich und verschwand.
    Dafür trat Madame Clouet ein.
    »Ich weiß nicht, was mit ihm los ist«, meinte sie leise, als wolle sie mich im Vertrauen einweihen. »Aber Victor ist seit dem Tode meines Sohnes völlig durcheinander. Er spricht nur von Geistern und Gespenstern. Ich hoffe, er hat sie nicht gelangweilt. Ich werde ihn wohl hinauswerfen.«
    »Das können Sie nicht tun«, protestierte ich.
    »Warum nicht?« fragte die alte Dame kühl.
    Ich stellte fest, daß sie alle Talismane abgelegt hatte, die sie trug, als ich in diesem Hotel eintraf. Diese beiläufige Beobachtung fügte sich gut in das Bild, das Victor Babeuf entworfen hatte.
    Mein Zimmer befand sich wieder in seinem ursprünglichen Zustand. Das Fenster erlaubte einen ungehinderten Blick auf die flankierenden Berge und den Fluß. Die Alraune hing nicht mehr an ihrem Platz.
    Ich weiß nicht warum, aber plötzlich vermißte ich sie.
    ***
    Ich wartete, bis es still wurde im Haus. Ich wollte sichergehen, daß alles schlief, wenn ich in den Keller schlich. Ich wollte versuchen, die Gebeine der toten Fatima zu finden. Victor Babeuf hatte mir den Ort genau beschrieben und versprochen, eine Spitzhacke bereitzustellen.
    Der Invalide war noch einmal zurückgekehrt, nachdem die alte Dame verschwunden war. Mir schien, es belauere in diesem verfluchten Haus jeder jeden und versuchte, mich auf seine Seite zu ziehen. Das fand ich eher lästig als schmeichelhaft.
    Gegen elf Uhr in der Nacht schlüpfte ich – noch vollständig angekleidet – aus meinem Zimmer und spähte auf den Gang. Die Luft schien rein.
    Ich huschte den Korridor entlang, erschrak vor meinem eigenen Spiegelbild und nahm Stufe für Stufe die Treppe ins Erdgeschoß. Nicht jedes Geräusch ließ sich dabei vermeiden. Ich konnte nur hoffen, daß Madame Clouet tief und fest schlief.
    Ich fand die Eingangstür verschlossen. Victor Babeuf besaß keinen Schlüssel, und ich schon gar nicht. Aber ich hatte mit diesem Hindernis gerechnet und öffnete einfach eines der Fenster in der Herrentoilette.
    Ich kletterte ins Freie.
    Der Mond stand über dem Tal. Sein bleiches Gesicht spiegelte sich in den Wassern der Semois, die geschäftig und ruhelos dahinplätscherte, unaufhaltsam, ewig, einem fernen Ziel zu.
    Irgendwo schrie eine Katze.
    Das Jammern trug mir fast einen Herzinfarkt ein. Zu plötzlich zerriß der Klageschrei die Stille der Mondnacht.
    Eine Fledermaus segelte stumm dahin, hob sich bedrohlich ab gegen die Lichtquelle am Himmel.
    Ich fand die Spitzhacke neben dem Eingang zum Keller, dazu einen spitzen Pfahl, den ich kaum mit zwei Händen umspannen konnte.
    Der Invalide hatte zuverlässig gearbeitet.
    Knarrend schwang die Tür zurück. Ich drang ein in das geheimnisvolle Dunkel, versuchte mich zu orientieren. Ich knipste die mitgebrachte Taschenlampe an. Der

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