081 - Hexentanz
der Sache nichts mehr zu tun haben.«
»Sie können doch Bouillon nicht verlassen, oder?« Victor Babeuf lachte höhnisch. »Also stecken Sie bis zur Halskrause mit drin. Wir alle. Alle Männer dieses Ortes.«
»Können Sie sich nicht deutlicher ausdrücken?«
Victor Babeuf ließ sich Zeit. Er fischte einen Tabaksbeutel aus der Tasche, nahm Papier und drehte sich eine Zigarette. Als sie brannte und er sie prüfend betrachtet hatte, fuhr er fort: »Madame Clouet ist Fatima.«
»Unmöglich«, entfuhr es mir. »Sie hat doch nicht ihren eigenen Sohn ermordet. Das ist absurd.«
»Das meine ich auch nicht. Fatima war ihre Feindin, bis zu dem Augenblick, da Claire um ihren Sohn kämpfte. Das Unternehmen ist gescheitert. Jetzt versucht sie eine neue Tour. Sie hat Frieden geschlossen mit der Orientalin. Ich habe es selbst gehört. Sie hockte stundenlang im Keller und betrieb ihren Hokuspokus. Ich dachte, die größte Gefahr drohe vom Harki und habe ihn enthauptet, jetzt merke ich erst, daß Madame Clouet selbst uns ans Leder will.«
»Einzelheiten!« schnaufte ich.
»Ich konnte durch einen Ritz in der Tür verfolgen, wie Madame Clouet den Geist der Orientalin beschwor. Und was soll ich sagen? Zuerst leuchtete es grün im Zement des Fundaments. Ich erkannte einen feurigen Umriß: menschliche Gebeine. Dann erhob sich Fatima, nahm Gestalt an und schwebte durch den Fußboden herein, baute sich vor Madame Clouet auf. Ich habe noch nie in meinem Leben so ein hübsches Weib gesehen.«
Das konnte ich nur bestätigen. Ich hatte Fatima auch gesehen. Aber ich hütete mich, mein Geheimnis preiszugeben. Ich wollte doch nicht wieder in diesen häßlichen Verdacht geraten...
»Madame Clouet verhandelte mit der weißen Dame. Sie sprach mit ihr, wie wir jetzt miteinander. Sie bat um das Leben ihres Sohnes, der längst tot war, und die Araberin stellte Bedingungen. Madame Clouet muß den Geist der Verstorbenen für vier Wochen beherbergen und dann ist Armand frei. Er kehrt zurück. Begreifen Sie das?«
»Kein Wort.«
»Halten Sie es für möglich?«
Ich zögerte.
»Ich habe so seltsame Dinge in Bouillon erlebt, daß ich grundsätzlich nichts mehr auszuschließen wage. Kaum hat man etwas abgetan, da wird einem das Gegenteil bewiesen. Ich stolpere von einem Rätsel ins andere. Und ich weiß mittlerweile, daß es geistige Energie gibt, die nicht mit dem Leib modert und verfault. Energie kann sich allenfalls erschöpfen – oder auch nicht. Wenn ich zum Beispiel einen Güterwagen anschiebe, kann er noch lange, nachdem ich meine Arbeit geleistet habe, weiterrollen. Er ist einmal in Bewegung geraten und nur andere Kräfte, wie Reibung, Luftwiderstand und so weiter können ihn stoppen. Gäbe es das nicht, würde er in alle Ewigkeit nach dem Anstoß weiterrollen. Man müßte nur die entsprechenden Bedingungen schaffen und das Wunder geschähe. Es ließe sich sogar logisch erklären. Vielleicht fehlt uns in unserem Fall nur der entsprechende Schlüssel. Wir haben Neuland betreten.«
»Sie sind ein Gelehrter«, rief Victor Babeuf begeistert. »Das haben Sie richtig gesagt. Ich könnte das nicht, aber ich fühle, daß es die Wahrheit ist. Und natürlich wirken auf geistige Energie alle diese Dinge wie Luftwiderstand und Reibung nicht ein. Es gibt sie in alle Ewigkeit.«
»Der Gedanke findet Ausdruck in der christlichen Religion«, nickte ich. »Was die Gläubigen Seele nennen, halten sie für unsterblich. Sie weisen der Seele einen bestimmten Platz zu, nämlich den Himmel – im besten Fall. Was, wenn es aber Verdammte gibt, die nach ihrem Tode dort nicht hingelangen? Was ist mit denen?«
»Sie kommen in die Hölle.«
Ich lächelte müde.
»Streichen Sie den Begriff Himmel – und Hölle. Wo bleiben sie dann?«
»Sie vagabundieren herum.«
»Da haben Sie das Problem ›Fatima‹ Victor. Sie ist eben nicht dort, wo wir jenen Ort vermuten, an den brave Seelen gehören. Sie vagabundiert, stiftet Unheil. Diesen Glauben gibt es – mehr oder weniger ausgeprägt – auf der ganzen Welt – und nicht nur in primitiven Kulturen.«
Ich hatte das Gefühl, Victor Babeuf mit meiner Theorie zu überanstrengen. Ihm kam es nur darauf an. Claire Clouet aus ihrem unseligen Bündnis zu befreien. Fatima endgültig zu beseitigen. Ihren Einfluß auf die alte Dame zu neutralisieren. Mein Gott, er glaubte doch nicht etwa, ich wäre eine Art Harki? Ich verstand nichts von derlei Dingen. Ich konnte nur versuchen, Erklärungen zu finden.
»Sie haben verdammt
Weitere Kostenlose Bücher