081 - Schatten der Vergangenheit
musste Matt lächeln.
Die kleine Hündin war niedlich, kein Zweifel. Sie hatte etwas an sich, das den Wunsch erweckte, sie in die Arme zu nehmen - auch wenn ihre Barthaare erbärmlich pieksten und sie wild darauf versessen war, jedes erreichbare Ohr zu beschlabbern.
Matts Lächeln vertiefte sich zu einem Grinsen, als Namuuki sich herumwarf und ein ganz besonderes Ohr anpeilte: Rulfan patrouillierte mit Wulf am Rande der Lichtung entlang - und fand sich plötzlich allein auf weiter Flur.
Bellend und knurrend fielen die beiden Vierbeiner übereinander her, lieferten sich ein Scheingefecht und tollten herum, bis der mächtige Lupa kapitulierte.
Grunzend streckte er sich im Gras der Lichtung aus und kniff die Augen zu. Namuuki fuhr sich über die Lefzen, trampelte unbekümmert über Wulfs bebende Flanken hinauf zum Kopf und versenkte ihre Nase in der Ohrmuschel.
Matt lachte. »Ja, ja - die Frauen!« , rief er Rulfan zu, der die Szene mit düsterem Gesicht verfolgte. »Da kannst du machen, was du willst, Junge: Kommt was Weibliches ins Spiel, geht die schönste Männerfreundschaft den Bach runter!«
Die roten Augen des Albinos funkelten.
Wortlos bückte er sich, packte Namuuki am Nackenfell und zerrte sie von Wulf herunter. Aruulas empörter Protest klang auf. Sie war regelrecht in die kleine Hündin vernarrt und hatte schon Kry'aan heftig angefahren, als der wieder einmal nach ihr treten wollte. Wahrscheinlich hatte das mit ihrer Schwangerschaft zu tun, einer Zeit im Leben einer Frau, in der alles, was klein, rund und schmusig ist, befremdliche Reaktionen auslöst.
Eilends kam die Barbarin heran, um das winselnde Hündchen mit tröstenden Lauten in die Arme zu schließen und sich vollsabbern zu lassen. Matt nickte zufrieden. Die Welt war wieder in Ordnung.
»Auf!« , befahl Rulfan hart, und Matt beobachtete erstaunt, wie der Lupa zwar gehorchte, jedoch lautlos die Zähne fletschte. Das hatte er noch nie getan, und es war alarmierend: Derart verliebt konnte Wulf gar nicht sein! Erst recht nicht in einen Welpen.
Nachdenklich ging Matt wieder an seine Arbeit, und es zeigte sich, dass Rulfan Recht gehabt hatte: Ven'dava-Zweige eigneten sich vorzüglich als Starthilfe für ein Lagerfeuer. Im Handumdrehen loderten helle Flammen empor, und ein Duft durchzog die Waldlichtung, der Matt an Lavendel erinnerte.
Na, großartig: Wenn die Käfer erledigt sind, riecht es in der Kristallfestung nach Altenheim! , dachte er mäßig entzückt, während er Platz für Shenn'aja machte, die das vorbereitete Fleisch herbei trug. Aruula folgte ihr mit verträumtem Blick, den Hund noch immer im Arm.
»Shem« , sagte plötzlich ein dünnes Stimmchen. Matt sah auf und entdeckte Ellik, die so klein und unscheinbar durchs Leben ging, dass sie ständig übersehen wurde. Wie ein aus dem Nest gefallenes Vogelkind stand sie zwischen den Sträuchern, an den weißen Monolith gelehnt, und starrte Aruula an - aus großen traurigen Augen, in denen kein Platz mehr war für etwas anderes als Kummer.
Ellik trauerte um ihren Zwillingsbruder Shem, den die Verfolger mit einem Stein erschlagen hatten, während die Familie schlief. Kry'aan hatte davon erzählt, und noch immer ballte Matt die Faust bei der Erinnerung an diesen Vortrag: Da war nur leise Enttäuschung gewesen darüber, dass der Junge nun doch nicht zur Vermehrung der Familienehre beitragen würde. Keine Tränen, keine Trauer, und kein Mitleid für das kleine Mädchen, dem der Tod des Bruders die Seele zerfraß. Im Gegenteil: Kry'aan hatte durchklingen lassen, dass Ellik der geringere Verlust gewesen wäre - und Matt hatte ihm nur deshalb nicht die Faust unters Kinn gerammt, weil er das Kind nicht noch zusätzlich verängstigen wollte.
»Lass uns spielen!« , bat Ellik und streckte die mageren Arme nach Aruula aus. »So wie früher, Shem!«
Matt und die Barbarin tauschten einen langen besorgten Blick. Das Kind halluzinierte. Ellik hatte schon seit der ersten Begegnung sporadisch und reihum alle Mitglieder der Expedition als ihren Bruder angesprochen; inzwischen aber war sie auf Aruula fixiert und ihr Zustand schien sich stündlich zu verschlechtern.
Anfangs hatte Matt noch geglaubt, Elliks kindliche Phantasie sei am Werk, um ihr zu helfen, die Trauer leichter zu bewältigen. Doch während der Mittagsrast war es Aruula gelungen, in den Gedanken der Mutter zu lauschen . Dabei hatte sie herausgefunden, dass Ellik seit dem Tod des Bruders kaum ein Auge mehr zugemacht hatte aus Angst,
Weitere Kostenlose Bücher