0811 - Die Aibon-Amazone
verlassen. Jane fing hin und wieder einen Blick aus diesen grünen Augen auf, entnahm diesem allerdings nichts. Kimberly blieb neutral.
Nach dem zweiten Schluck stellte sie ihre Tasse ab und schien für einen Moment dem leisen Geräusch zu lauschen, das entstand, als Tasse und Unterteller sich berührten. »Ich denke mir, ohne unhöflich zu sein, dass wir zur Sache kommen sollten.«
»In der Tat.«
»Darf ich voraussetzen, dass Sie wissen, Jane, womit ich mich beruflich beschäftige?«
»Nein.«
Falls Kimberly Hart überrascht war, so zeigte sie dies nicht. Sie hatte sich blendend unter Kontrolle und in der Gewalt. Aber sie lächelte. »Also nicht… nun«, jetzt nickte sie, »dann will ich es Ihnen erklären. Ich führe eine Agentur. Ich vermittle Frauen an entsprechende Firmen, die allesamt im Bereich der Medien tätig sind. Es ist eine Arbeit, die mir auch deshalb Spaß macht, weil, ich sehr erfolgreich bin. Besonders in der Werbebranche. Oft rufen die Agenturen bei mir an, um Mädchen oder Frauen – zumeist frische Gesichter – für ihre Spots zu bekommen. Aber das ist nicht alles, ich bin auch…«
»Pardon, Kimberly, aber deswegen bin ich nicht zu Ihnen gekommen. Ich kann mir denken, welchen Beruf sie offiziell ausüben…«
»Warum sind Sie dann hier?«
»Ich wollte mir eine Mörderin anschauen!«
Ein Satz nur, eine klare Antwort, aber die hatte gesessen. Zum ersten Mal war Kimberly Hart ein wenig aus der Fassung geraten. Sie hatte sich trotzdem noch in der Gewalt, runzelte nur leicht die glatte Stirn und räusperte sich.
»Sie sagen nichts…?«
Kimberly Hart strich ihr Haar an der rechten Seite leicht zurück.
Zwei grüne Steine, zu einem Ring zusammengefasst, schimmerten in ihrem Ohrläppchen. »Pardon, aber das muss ich zunächst verdauen. Ich habe mit dieser Einführung nicht rechnen können.«
»Tatsächlich nicht!« spottete Jane. »Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen nicht glaube.«
Mrs. Hart ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Habe ich recht gehört, dass Sie mich für eine Mörderin halten?«
»So ist es.«
»Ham.« Die grünen Augen schauten Jane an, die dem Blick standhielt. »Und wen, bitte sehr, soll ich getötet haben?«
»Eine Frau. Sie hieß Evelyn Dale.«
»Wer hat Ihnen das gesagt?« Kein Wort davon, ob sie den Namen kannte oder nicht.
»Niemand, Kimberly. Ich war dabei. Ich habe gesehen, wie sie die Frau töteten.«
»Ach.« Staunen und Spott mischten sich in dieses eine Wort. »Können Sie mir auch sagen, wie ich diese Frau umgebracht haben soll?«
»Ja. Sie haben sie mit einem Pfeil erschossen. Er durchschlug den Hals der Bedauernswerten.«
Kimberlys Lachen hallte durch das Büro. Sie schüttelte dabei den Kopf. Erst als sie sich beruhigt hatte, redete sie weiter. »Jetzt wird es utopisch und fantastisch zugleich. Meinen Sie nicht, dass es etwas viel des Guten ist?«
»Ganz und gar nicht.« Jane trank wieder einen kleinen Schluck Kaffee. »Wie ich schon erwähnte, ich war dabei. Ich habe gesehen, wie der Pfeil den Hals durchbohrte. Sie sahen natürlich nicht so aus wie jetzt. Sie hatten sich umgezogen, sie wirkten wie eine…« Jane überlegte einen Augenblick, »ja, wie eine Kriegerin aus einem Fantasy-Film.«
»Gut, angenommen. Und das haben Sie als Zeugin erlebt?«
»Richtig.«
»In welchem Kino war das?«
»In keinem. In der Realität. In der letzten Nacht, in der Nähe von London, wo die Gegend trotzdem sehr ländlich und einsam ist. Der Mord geschah in einer Scheune.«
»Was haben Sie dort zu suchen gehabt?«
»Meine Klientin, Evelyn Dale, bestellte mich hin. Sie fürchtete sich vor Verfolgern, sie hatte Angst um ihr Leben.«
»Deshalb wandte sich diese Frau an Sie?«
»Ja, so ist es.«
»Warum tat sie das?«
»Das kann ich Ihnen sagen, Kimberly. Sie tat es, weil ich Privatdetektivin bin.«
Kimberly öffnete den Mund. Sie zeigte nur ihre Zähne, sprach allerdings nicht. Erst nach einer Weile nickte sie und gab auch einen Kommentar ab. »So ist das also.«
»Ja, so und nicht anders.«
Kimberly kräuselte ihre Lippen zu einem spöttischen Lächeln.
»Dann sind Sie jetzt zu mir gekommen, um mich zu verhaften, denke ich.«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Steht die Polizei schon draußen?«
»Auch das nicht.«
»Aber Sie müssen doch die Polizei rufen, wenn Sie Zeugin eines Mordes waren. Dazu sind Sie auch als Privatdetektivin verpflichtet, nehme ich an.« Vor ihren nächsten Worten verengte sie die Augen und kräuselte die Lippen zu einem
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