0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta
gewähren.« Jenkins hielt einen Moment inne. »Verdammt, die sind immer noch ganz schön sauer auf Sie, weü Sie damals so einfach abgehauen sind! Aber Meister Shiu garantiert Ihnen Sicherheit während Ihres Aufenthalts im Kloster. Er hat es bei Tin Hau geschworen.«
Das reichte Chin-Li. Die Bruderschaft war einst gegründet worden, um das Erbe der Meeresgöttin zu bewahren. Meister Shiu würde es nie wagen, ihren Namen mit einer Lüge zu entehren.
»Aber Sie sollten sich über eins im Klaren sein. Das ist kein Friedensschluss, kein Waffenstillstand. Eine kleine Teepause zwischen den Gefechten, nicht mehr.«
Chin-Li nickte. »Das ist mir klar. Mehr habe ich auch gar nicht erwartet.«
***
Mekong-Delta
Das Geräusch war kaum mehr als ein leises Rascheln, doch Zamorra war sofort hellwach. Lautlos glitt er aus dem Stuhl, auf dem er es sich bequem gemacht hatte, zog den Blaster und schlich zum nächstliegenden Fenster.
Der Mekong lag still und friedlich vor ihm. Nur wenig Mondlicht drang durch den immer noch wolkenverhangenen Himmel und spiegelte sich im träge dahinfließenden Wasser. Zamorra presste sich an die Wand, um für einen eventuellen Gegner kein allzu leichtes Ziel zu bieten, und hielt nach verdächtigen Bewegungen Ausschau.
»Was ist los?« Fast lautlos hatte sich Nicole neben ihm postiert. Auch sie hielt ihren Blaster schussbereit in der Hand.
»Wahrscheinlich nichts«, flüsterte Zamorra. »Vermutlich nur ein Tier.« Aber er ahnte, dass dem nicht so war. Seine Intuition trog ihn selten, und die sagte ihm, dass da draußen irgendetwas nicht stimmte. Und Nicole spürte es auch. »Aber ich schaue besser mal nach.«
Nicole nickte. »Ich komme mit.«
»Einer muss auf unsere beiden Gastgeber aufpassen. Und vor allem dafür sorgen, dass Thanh keinen Unsinn anstellt.«
Widerwillig nickte Nicole.
»Hier geht niemand ohne mich!«, rief plötzlich eine Stimme.
In der Tür zum Nebenraum stand Thanh. Die Augen des Geheimdienstmannes glitzerten kampfeslustig. In seinen Händen hielt er das AK-47, das er demonstrativ hochhob. »Was haben Sie gesehen, Professor?«
»Nichts«, sagte Zamorra wahrheitsgemäß. »Ich habe nur ein Geräusch gehört. Vermutlich nur ein paar-Vögel oder Wasserbüffel. Außerdem sollten Sie etwas leise sprechen, wenn Sie nicht Phuong auch noch aus dem Schlaf reißen wollen.«
»Ich fürchte, dafür ist es bereits zu spät.« Mit einem gequälten Grinsen erschien die Tourismusexpertin hinter Thanh. »Gibt’s hier eine Pyjamaparty, zu der ich nicht eingeladen bin?«
Immerhin nimmt sie die Sache mit Humor, dachte Zamorra. Der Dämonenjäger informierte Phuong schnell. Die Vietnamesin sah neugierig aus den Fenster.
»Was ist denn das da?«, fragte sie irritiert.
Sie deutete auf einen schwarzen Umriss, der sich einige Dutzend Meter von ihnen entfernt am Ufer abzeichnete. Aus der Entfernung wirkte er wie ein Baumstumpf - oder wie eine reglose menschliche Gestalt.
»Das war gerade noch nicht da«, flüsterte Zamorra.
»Und die da auch nicht«, sagte Nicole und deutete auf vier weitere Silhouetten, die rechts und links von der ersten Gestalt aus dem Nichts aufgetaucht waren. Zusammen bildeten sie einen perfekten Halbkreis.
»Sind das Menschen?«, fragte Phuong. Das leichte Zittern in ihrer Stimme war unüberhörbar.
»Was immer sie sind, hiermit werden sie sich kaum anlegen wollen«, sagte Thanh und hob sein AK-47. »Ich bin noch keinem Menschen begegnet, der gegen Kugeln immun gewesen wäre.«
»Ja, nur dass das da draußen wahrscheinlich keine Menschen sind«, zischte Nicole.
»Blödsinn!«, sagte Thanh verächtlich. »Mit Ihren Schauergeschichten können sie vielleicht der Kleinen hier Angst einjagen, aber mich schrecken Sie damit nicht. Vergessen Sie nicht, das hier ist Vietnam. Wir wissen, was Horror ist. Und er wird immer von Menschen gemacht. Nicht von irgendwelchen Spukgestalten. Und jetzt gehe ich raus und trete den Bastarden da kräftig in den Arsch.«
»Das werden Sie schön bleiben lassen!«, sagte Zamorra.
»Sie haben mir gar nichts zu befehlen, Professor. Vergessen Sie nicht, dass Sie nur Gast sind in diesem Land. Die Zeiten, in denen uns westliche Ausländer sagen, was wir zu tun und zu lassen haben, sind lange vorbei.«
Zamorra nickte resigniert. »Wie Sie wollen. Es ist Ihr Leben. Aber seien Sie auf ein paar Überraschungen gefasst.«
»Machen Sie sich um mich keine Sorgen.«
»Ich mache mir um uns Sorgen. Wenn Sie durchdrehen, sind wir möglicherweise alle
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