0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta
in Gefahr. Also bleiben Sie wenigstens dicht bei mir.«
Thanh grunzte etwas, das vage als Zustimmung interpretiert werden konnte. Dann fiel sein Blick auf Zamorras und Nicoles Blaster. »Wo haben Sie die denn her? Wollen Sie tatsächlich mit diesem Spielzeug da raus?«
Zamorra grinste. »Machen Sie sich um mich keine Sorgen«, wiederholte er die Worte des Majors.
»Okay, Chéri, dann bleibe ich hier und passe auf Phuong auf«, sagte Nicole. An ihrem genervten Gesichtsausdruck war zu erkennen, dass sie Thanh am liebsten ordentlich die Meinung gegeigt hätte. Aber es nützte niemandem etwas, wenn der seit ihrer Ankunft schwelende Konflikt offen ausbrach. Ihr wahres Problem lag da draußen.
Zamorra wollte gerade Thanh zur Tür folgen, als Phuong sagte: »Da hat sich gerade einer bewegt.«
Sofort waren die anderen am Fenster. Zamorra wusste sofort, was Phuong meinte. Die Silhouetten schienen fast unmerklich ein Stück näher gekommen zu sein. Und sie schwankten ganz leicht nach rechts und links. Wie Weiden im Wind. Nur dass draußen absolute Windstille herrschte. Die Zweige der Bäume bewegten sich nicht.
»Sie wollen uns rauslocken«, flüsterte Nicole.
»Sieht ganz so aus. Dann wollen wir ihnen den Gefallen mal tun.«
»Dann los, Professor. Lassen Sie uns nachsehen, was das für Scherzbolde da draußen sind«, sagte Thanh ungeduldig.
Zamorra nickte und folgte dem Geheimdienstmann.
Thanhs Verhalten beunruhigte ihn fast ebenso wie die unheimlichen Gestalten am Ufer. Wenn er ihn richtig einschätzte, war der Major nicht halb so hart, wie er sich gab. Und das bedeutete, dass er in einer Gefahrensituation ein unkalkulierbares Risiko darstellte.
Die Tür knarrte leicht, als sie ins Freie glitten. Was soll’s? Sie wissen sowieso, dass wir zu ihnen rauskommen, dachte Zamorra grimmig, als er hinter Thanh die kurze Holztreppe hinabstieg. Die Luft war immer noch fast so drückend wie am Tag. Nicht der geringste Windhauch brachte etwas Erfrischung. Doch die Silhouetten wiegten sich immer noch leicht hin und her.
Gebückt folgte Zamorra dem Geheimdienstmann. Er glaubte zwar nicht, dass diese seltsamen Wesen über Schusswaffen verfügten, aber es war trotzdem nicht ratsam, ihnen ein gutes Ziel zu bieten.
»Hören Sie das?«, fragte Thanh.
»Was meinen Sie? Ich höre absolut gar nichts«, erwiderte Zamorra ratlos.
»Eben. Das meine ich. Im Delta hört man immer irgendwas. Ratten auf Beutesuche, Dachse beim Liebesspiel… Doch hier ist es absolut still. Ruhig wie der Tod«, flüsterte Thanh, und trotz der Dunkelheit sah Zamorra deutlich die Anspannung in seinem Gesicht. Dann bedachte er Zamorra mit einem seltsamen Blick, und seine Züge verhärteten sich wieder. »Aber ich habe keine Angst vor dem Tod. Er soll ruhig kommen. Dann gebe ich ihm etwas hiervon zu fressen.«
Genervt drückte Zamorra den Lauf des AK-47 zu Boden. »Seien Sie vorsichtig. Damit kann man ziemlichen Unfug anstellen. Schießen Sie nur, wenn unbedingt nötig.«
Auch wenn es dir nicht viel nützen wird, dachte Zamorra. Er würde ein Auge auf ihn haben müssen, damit der nicht geradewegs in sein eigenes Verderben rannte.
Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder den unheimlichen Silhouetten zu. Sie schienen wieder ein Stück näher gekommen zu sein.
Sie haben uns eingekreist. Und jetzt ziehen sie die Schlinge zu, dachte Zamorra.
»Wir müssen damit rechnen, dass es noch mehr von ihnen gibt«, flüsterte er. »Überall im. Unterholz können sich noch welche von diesen Brüdern verstecken.«
Doch Thanh antwortete nicht. Irritiert sah sich Zamorra um.
Der Vietnamese war verschwunden.
***
Thanh hätte es vor den anderen nie zugegeben, aber er verspürte eine hündische Angst. Anderen gegenüber markierte er gern den starken Mann. Deshalb hatte er sich auch von Zamorra getrennt. Der sollte nicht glauben, dass Thanh seinen Schutz brauchte.
Doch jetzt stand er hier allein im dichten Buschwerk, hielt sich an seinem AK-47 fest und spürte, wie ihn die Panik zu überwältigen drohte.
Reiß dich zusammen. Es gibt keine Gespenster, wies sich der Geheimdienstler selbst zurecht. Die meisten Asiaten waren der spirituellen Welt sehr viel enger verbunden als Amerikaner oder Europäer. Aber Thanh hatte seit frühester Kindheit zu viel erlebt, um nicht zu wissen, dass der wahre Schrecken immer von den Menschen ausging.
Er war in einem armen Dorf nahe Huê aufgewachsen, direkt an der Grenze zwisehen Nord- und Südvietnam - und damit mitten im
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