0814 - Mister Amok
Ahnung, wirklich nicht.«
»Wie lange sind Sie hier, Amy?«
»Zwei Wochen…?«
»Stimmt. Und Sie haben einiges hinter sich. Ich möchte es nicht noch einmal aufzählen, doch es sind Dinge geschehen, an denen andere zerbrochen wären. Sie sind es nicht, Amy. Sie haben sich tapfer geschlagen. Sie haben alles unter Kontrolle gehabt, dazu kann ich Ihnen nur gratulieren. Sie waren und Sie sind eine außergewöhnliche Patientin, aber Sie sind gleichzeitig auch nur ein Mensch, der Gefühle hat. Da unterscheiden Sie sich von keiner anderen Person. Tiefe Gefühle. Sie spüren Schmerz, Sie spüren Freude. Sie lieben Ihr Kind, und was Sie hinter sich haben, hat sich auch in Ihnen aufgestaut. Irgendwann einmal muss es einfach zum Durchbruch kommen, Amy. Das ist geschehen. Sie haben gegen das Fenster geschaut und hinter der Scheibe etwas gesehen, das es möglicherweise nicht in der Realität, sondern nur in Ihrer Fantasie gab. Das hat Sie fürchterlich erschreckt und…«
»Nein, so ist es nicht gewesen!« Amy hörte sich selbst schreien und ärgerte sich darüber. Wer schreit, der hat Unrecht, dachte sie. In diesem Fall konnte sie nicht anders. »Es war so, wie ich Ihnen sagte, Doktor. Sie war hinter der Scheibe. Sie schwebte, und sie hielt mein Kind, das sie mir bei der Geburt weggenommen haben muss. Es war allesperfekt organisiert. Jemand wollte mein Kind haben. Jemand wusste Bescheid. Ich weiß nicht, wer dahintersteckt, aber ich weiß, dass ich Jory nie vergessen werde. Immer werde ich an ihn denken, an die schreckliche Person, die sich in ein Monstrum verwandelte.«
Dr. Feldman hob die Schultern. »Möchten Sie, dass jemand den Rest der Nacht bei Ihnen bleibt?«
»Nein.«
»Gut. – Wenn sich etwas ereignen sollte, mit dem Sie nicht zurechtkommen, dann klingeln Sie bitte.«
»Ja«, flüsterte Amy.
»Versprochen?«
Sie nickte.
Dr. Feldman strich ihr über das Haar, bevor er sich erhob und das Zimmer verließ.
Amy blieb zurück. Sie schaute zu, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
Ruhe breitete sich aus.
Wieder kam sich Amy vor wie auf einer Insel. Sie starrte ins Leere.
Schlaf würde sie nicht mehr finden können, dazu hatte sie zu viel erlebt.
Und noch etwas lag auf der Hand.
Diese Nacht würde eine der entscheidenden in ihrem Leben sein.
Daran glaubte sie fest. Eine Nacht, die Akzente für die Zukunft gesetzt hatte, und davor fürchtete sie sich.
Wieder schaute sie zum Fenster hin.
Als dunkler Ausschnitt hob er sich in der normalen Zimmerwand ab. Nichts war zu sehen. Die Dunkelheit lag dahinter wie blauschwarze Watte. Nichts erinnerte mehr an die schrecklichen Vorgänge. Wirklich nichts?
Etwas bewegte sich.
Ein Riss in der Finsternis.
Jemand schob sich bis dicht an die Scheibe heran. Ein Gesicht, das lachte.
Die Frau!
Diesmal war sie ohne Kind gekommen. Sie lachte lautlos, sie schwebte vor dem Fenster, und irgendwann hob sie die Hand. Ein Abschiedsgruß an die wahre Mutter.
Dann war sie weg.
Amy Lester fiel wieder zurück in das Kissen. Sie dachte an die Zukunft, die nie mehr so sein würde, wie Amy sie sich in ihren Träumen vorgestellt hatte.
Über ihrem Leben hing schon jetzt eine dunkle Wolke.
***
Gegenwart.
»Es wird Ihnen vorkommen wie ein James-Bond-Film, aber es ist keiner, sondern Realität, eingefangen durch eine Kamera, um der Welt zu erklären, worauf sie sich einzurichten hat.«
Mit diesen Worten war ich praktisch von meinem Chef empfangen worden, als ich wieder in London eingetroffen war, wobei ich noch immer unter dem Eindruck des letzten Falls stand, der mich stark mitgenommen hatte. Er war sehr schlimm und blutig gewesen, doch einen Erfolg hatte ich verbuchen können.
Massago, diesen dämonischen Engel, gab es nicht mehr. Zumindest ging ich davon aus, dass mein Kreuz ihn zerstört hatte. Von diesem Relikt aus der Vergangenheit wollte ich nichts mehr wissen.
»Worum geht es denn?« hatte ich meinen Freund und Kollegen Suko gefragt.
Ein Schulterheben war die Antwort gewesen.
Glenda wusste auch nicht Bescheid.
Zum Trost bekam ich von ihr den perfekten Kaffee. Selbst der schaffte es nicht, mich locker zu machen, aber er vertrieb meine Müdigkeit etwas.
»Muss eine heiße Sache sein«, sagte Suko, als wir uns auf den Weg zum Vorführraum befanden. Er lag unter der Erde, tief im Schloss des Yard-Gebäudes. »Es ist nichts durchgedrungen, John. Geheimhaltungsstufe eins.«
»Das kann heiter werden.«
»Oder bewölkt.«
Ich hob die Schultern und verließ den Fahrstuhl
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