0814 - Mister Amok
als erster, um in die kahle Welt der langen Gänge einzutreten, die ein regelrechtes Labyrinth bildeten. Suko und ich waren oft genug hier unten gewesen, um uns nicht erst durchfragen zu müssen. Ein Fremder wäre in dem Labyrinth verloren gewesen.
Eine schalldichte Tür führte zum Eingang des Kino- und Videoraums. Ich öffnete sie und sah die Bankreihen vor mir. Die Leinwand schimmerte bleich wie die frisch gekalkte Mauer eines Kellers.
Ein Techniker drehte sich um, als er uns sah. Er stand im Hintergrund und hatte einen Film in den Apparat gespannt.
»Kein Video?« fragte ich ihn.
Der Mann im karierten Hemd schüttelte den Kopf. Er drehte die Rollen ein wenig nach vorn. »Nein, hier ist noch richtig konventionell gearbeitet worden.«
»Na ja, mal sehen.«
»Sie können sich in die erste Reihe setzen.«
»Sagte man früher dazu nicht Rasiersitz?« fragte Suko.
»Das liegt schon lange zurück. Hier brauchst du den Kopf nicht in den Nacken zu legen.« Ich klappte eine Sitzfläche nach unten und setzte mich auf das Holz. Auf ein Polster war verzichtet worden.
Auch mein Freund nahm Platz. Er schaute zu, wie ich mein Gesicht knetete. »Müde?«
»Ja, ziemlich. Sogar kaputt. Massago und alles, was um ihn herum passierte, hat mich geschafft.«
»Du hättest mich mitnehmen sollen.«
Ich winkte ab. »Es ist ja überstanden, jetzt warten wir auf andere Probleme.«
»Sir James wollte auch kommen.«
»Hoffentlich.« Ich drehte mich und schaute zur Tür. »Er hat geheimnisvoll getan. Was ist denn da im Busch? Hat er dir gegenüber nie eine Andeutung gemacht?«
»Nein, nur sehr allgemein. Er scheint von einer anderen Stelle Druck bekommen zu haben. Ich schätze, dass einige Typen ganz oben das Hosenflattern bekommen haben.«
»Geheimdienst?«
»Ist möglich.«
Ich streckte die Beine aus. »Sollte das zutreffen, müssen wir wieder einmal die Kohlen für sie aus dem Feuer holen. Das gefällt mir überhaupt nicht.«
Suko hob die Schultern.
Ich sprach weiter. »Immer wenn es darum ging, hatte ich ein verdammt komisches Gefühl. So ein Brennen im Magen, verstehst du? ich kam mir vor, als hielte irgendwo im Hintergrund jemand eine Leine in der Hand, an der er uns führte.«
Die Tür öffnete sich, und Sir James betrat den Saal. Er nickte uns zu, kam aber nicht zu uns, sondern winkte den Vorführer zu sich heran.
Beide sprachen leise miteinander. Wirbekamen nicht viel mit. Sir James wollte wissen, ob alles eingestellt war.
»Der Film kann starten, Sir.«
»Gut, ich sage Ihnen dann Bescheid, wenn es so weit ist.« Seine Stimme klang lauter. »Noch etwas. Sie sind zur Geheimhaltung verpflichtet und wissen, was es bedeutet?«
»Es ist mir klar, Sir.«
»Danke.«
Suko und ich hatten uns angeschaut. Beide hoben wir die Schultern, denn wir kamen mit diesem Gespräch nicht zurecht. Eines jedenfalls stand fest. Hier ging es um eine Riesensache.
Sir James setzte sich neben mich. Er zog seine Hosenbeine höher, damit die scharfen Bügelfalten nicht ausleierten. Anschließend putzte er seine Brille. »Gespannt?«
»Und wie.«
»Fühlen Sie sich gut, John?«
Seltsam, dass er mir eine derartige Frage stellte. »Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe mich schon besser gefühlt, Sir. Mir täten vier, bis fünf Mützen Schlaf gut. Wie ich das allerdings einschätze, ist es nicht drin.«
»Stimmt.«
»Worum geht es?«
»Werden Sie gleich sehen. Jedenfalls müssen wir uns um diesen Fall kümmern. Dieser Film, der gleich hier ablaufen wird, ist unter Lebensgefahr außer Landes und zu uns geschmuggelt worden.«
»Haben Sie ihn schon gesehen?« erkundigte sich Suko.
»Ja, im kleinen Kreis.«
»Und?«
»Ich war geschockt.«
»Hat der Film auch einen Titel?« wollte ich wissen.
Sir James nickte. »Mister Amok.«
Ich sagte erst mal nichts. Auch Suko schaute ziemlich betreten auf seine Schuhe. Dieser Titel hörte sich nach Gewalt, Tod und Kampf an. Ich wollte meinem Chef noch weitere Fragen stellen, er hatte sich bereits gedreht und seine ausgestreckte Hand gekippt.
Es war das Zeichen für den Vorführer.
Das Licht erlosch.
Hinter uns hörten wir das leise Summen des Filmapparates. Ansonsten blieb es still. Auch auf der Leinwand tat sich noch nichts, ein paar helle Flecken huschten darüber hinweg, Streifen erschienen wie zitternde Spinnenbeine, eine Zahlenreihe zählte von zehn an abwärts, und Sir James flüsterte: »Der Film ist ohne Ton.«
Schon erschien das erste Bild.
Es war eine Ruinenstadt irgendwo in einer
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