0814 - Mister Amok
reckten sich dem Himmel entgegen, als wollten sie erklären, dass gerade die Stadt unter einem besonderen Schutz des Herrgotts stand.
Semesterferien.
Für Oxford bedeutete dies Ruhe und Atem holen. Nur wenige Studenten hielten sich noch in der Stadt auf. Die meisten waren in Urlaub gefahren, dementsprechend leer präsentierten sich auch die Gassen, Straßen und die zahlreichen Parks mit den sattgrünen Wiesen. Zudem lud das Wetter nicht eben zu Picknicks ein, nur an den Ufern des Cherwill River saßen einige Angler.
Wir fuhren am mächtigen Bau der Christ Church Cathedral vorbei und gelangten in die bewohnten Gebiete. Unser Ziel war die Merton Street, in der Jake Lester bei seiner Mutter wohnte.
Sie endete dort, wo die Gebäude der Examination Schools standen.
Sie waren um diese Zeit leer.
Eine ruhige Straße mit alten, jedoch außergewöhnlich gepflegten Häusern nahm uns auf.
Hier war auch nichts zugeparkt. Hecken wuchsen an den Rändern der Straße. Sie säumten die zahlreichen Vorgärten ein, die Grundstücke und Häuser wie kleine Schutzwälle umgaben.
Da die Hausnummern nicht zu erkennen waren, wir aber nicht lange suchen wollten, hielt Suko den BMW an, und ließ mich aussteigen. Bei einer älteren Frau erkundigte ich mich nach dem Haus, der Lesters und erhielt eine freundliche Antwort. Wir mussten bis zum Ende der Straße durchfahren. Bevor sie den Knick nach links machte und in den Bereich der Schule hineinführte, lag das Haus auf der rechten Seite.
»Alles klar – danke.«
Suko hatte mitgehört. Ich brauchte nichts zu wiederholen, und wenig später stoppten wir vor dem Haus.
Wir stiegen noch nicht aus. Beide atmeten wir tief durch. Beide spürten wir die Spannung, die uns wie ein zittriges Netz umfangen hielt. Ich hatte die Lippen zusammengepresst und atmete durch die Nase. Suko schaute nach rechts, wo die Hecke das Haus vor fremden Blicken schützte. Ein Tor hatte sie unterbrochen.
»Wie gehen wir vor, John?«
»Normal.«
»Wie zwei Besucher.«
»Genau. Ich will nicht erst um das Haus herumgehen und dort nachsuchen. Wir klingeln und…«
Er hatte bereits den Wagenschlag aufgestoßen. »Dann komm.«
Wohl war mir nicht, als ich den BMW verließ. Die Sonne hatte etwas getäuscht. Es war kühler, als es aussah. Wind fuhr in mein Gesicht, und die Wolken am Himmel verdichteten sich.
Suko war vor dem Tor stehen geblieben und hatte sich gebückt, weil er das schmiedeeiserne Schild betrachtenwollte, auf dem der Name des Bewohners stand.
»Sind wir richtig?« Suko nickte.
Da es keine Klingel gab, drückten wir das Tor auf und durchschritten einen schmalen Vorgarten, in dem sich zahlreiche Sommerblumen ein Stelldichein gaben und uns mit ihrem Duft verwöhnten.
Die niedrigen Bäume gaben nur wenig Schatten, und auch von der Fassade des Hauses sahen wir nicht viel, denn Efeu umwuchs sie wie eine zweite Haut. Die Scheiben präsentierten sich in einer schon ungewöhnlichen Sauberkeit. In ihnen spiegelten wir uns wider.
Ob uns jemand gesehen hatte und ob es genau die richtige Person war, wussten wir nicht. Wir waren nur auf alles gefasst und ließen unsere Blicke so unauffällig wie möglich durch den kleinen Vorgarten streifen, wobei wir von allen Dingen die beiden Seiten beobachteten, an denen dichte Büsche standen.
Dort gab es keine unnatürlichen Bewegungen. Nur der Wind spielte mit den Blättern.
Wir hatten hohen Nachmittag und konnten eigentlich davon ausgehen, Jake Lester im Haus zu finden. Einen geparkten Wagen, der ihm hätte gehören können, hatten wir nicht gesehen, alles wirkte sehr friedlich und auch still.
Suko war vor der Haustür stehen geblieben. Sie passte in diese Umgebung mit ihrem sattgrünen Anstrich und dem sauberen Glasfenster im oberen Drittel.
Zu klingeln brauchten wir nicht. Manhatte uns gesehen, und eine Frau zog die Tür auf.
»Ja bitte«, sagte sie.
Wir schauten sie an. Das musste die Mütter des Mannes sein, den wir suchten.
Aber sah so eine Zombie-Mutter aus?
Es wollte mir nicht in den Kopf. Vor mir stand eine Frau, die ich auf Mitte Vierzig schätzte. Ihr Haar war dunkel, doch einige graue Strähnen gaben ihnen ein interessantes Aussehen. Sie waren kurz geschnitten und bedeckten die Ohren bis zur Hälfte.
Ein weiches Gesicht mit vollen Lippen, dunkle Augen, in denen Misstrauen glomm.
Wir stellten uns vor.
»Das ist nett«, sagte sie, »aber mit Ihren Namen kann ich leider nichts anfangen.«
»Sie sind aber Mrs. Lester?«
»Ja, die bin ich.«
»Und Sie
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