0814 - Mister Amok
haben einen Sohn namens Jake, der bei Ihnen wohnt, ansonsten aber in Ardley unterrichtet.«
»Auch das stimmt.«
»Können wir ihn sprechen?«
Diesmal hatte Suko gefragt, und die Frau hob die Schultern. »Im Prinzip schon, nur ist er leider noch nicht hier. Jake sollte noch Besorgungen machen. Sie sind Kollegen von ihm?«
Ich hatte beschlossen, der Frau reinen Wein einzuschenken. »Nein, das sind wir nicht. Wir sind Polizisten, Scotland Yard.«
Mrs. Lester erschrak. »Mein Gott, was hat mein Sohn denn mit der Polizei zu tun?«
»Das werden wir ihm selbst sagen.«
Sie trat einen Schritt zurück. »Er hat sich doch nichts zuschulden kommen lassen?«
»Wir wollen ihn nur etwas fragen.«
»Warum denn?«
»Es ist mehr die Aussage eines Zeugen«, sagte Suko. »Dürfen wir jetzt eintreten?«
»Bitte, ja, wenn Sie wollen?«
Wir zeigten noch unsere Ausweise, damit die Frau auch beruhigt war. Sie räusperte sich, war verlegen, wusste nicht, was sie sagen wollte und führte uns in ein kleines, peinlich sauberes Wohnzimmer, in dem trotzdem eine gewisse Unordnung herrschte, denn auf dem Boden stapelten sich zahlreiche Bücher.
»Sie lesen viel?« fragte ich, um sie abzulenken, denn Suko schaute sich blitzschnell um.
»Ja, privat und beruflich. Ich arbeite in der Universitäts-Bibliothek und habe mein Hobby schon vor vielen Jahren zum Beruf gemacht. Durch mich ist auch mein Sohn ans Lesen gekommen, und er hat es bis zum heutigen Tag nicht aufgegeben.«
»Das finde ich gut.«
Sie stand vor einem alten Schrank und hob die Schultern. »Tja, darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Tee, einen Kaffee vielleicht?«
»Nein, danke, Mrs. Lester.«
»Bitte, dann nehmen Sie zumindest Platz. Es redet sich so ungemütlich, wenn man steht.«
»Da haben Sie Recht.« Wir ließen uns nieder, und ich hatte das Glück, Jake Lester zu sehen, denn sein Foto stand eingerahmt auf einer dunklen Kommode.
»Das ist ihr Sohn?«
»Ja.«
»Darf ich das Foto mal sehen?«
»Gern.« Sie gab es mir. »Wissen Sie, ich werde immer zu meinem Sohn halten. Er ist jetzt sechsundzwanzig, in der Schule wohl der beliebteste Lehrer, undich kann mir nicht vorstellen, dass Jake mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist.«
Ich auch nicht, dachte ich, denn so hatten wir uns den Besuch nicht vorgestellt. Hier war alles so herrlich normal, nichts wies daraufhin, dass dieses Haus der Unterschlupf einer lebenden Leiche war, eines Killer-Zombies, der Mr. Amok genannt wurde.
Entweder hatte sich der Geheimdienst geirrt, oder aber wir hatten es noch nicht geschafft, das Spiel zu durchschauen.
Ich sah mir das Foto an, verglich es mit der Person, die die Hauptrolle in dem gewissen Film gespielt hatte. Es gab keinen Unterschied. Jake Lester sah so aus wie der Mann im Film. Wir sahen zwar nur sein Gesicht, aber die kantigen und harten Züge, die das Lächeln kaum aufweichen konnten, waren mit der Figur im Film identisch.
Mrs. Lester kriegte das Foto wieder zurück, und ich fragte dabei:
»Ist Ihr Sohn oft unterwegs?«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun ja, macht er des öfteren Urlaub?«
»Da muss er sich schon an die Ferientermine halten.«
»Pardon. Ich vergaß, dass er Lehrer ist.« Mein Lächeln sollte harmlos aussehen, die Frage war es nicht, sondern mehr hintergründig.
»Wenn er Urlaub macht, fährt er dann in ferne Länder?«
Amy Lester legte ihre Stirn in Falten. »Wie kommen Sie denn darauf, Mr. Sinclair?«
»Nun ja, ich will nichts Falsches sagen. Vom Typ her kommt er mir vor wie ein Mann, den es in die weite Welt zieht.«
»Wir waren schon in einigen Ländern…«
»Wir?«
»Ja. Wir sind zusammen in Urlaubgefahren.« Sie räusperte sich.
»Wissen Sie, Jake und ich sind praktisch allein auf der Welt. Mein Mann Sam ist kurz vor Jakes Geburt tödlich verunglückt. Seit dieser Zeit bin ich Witwe und habe praktisch nur ihn.«
»An Heirat hat er nie gedacht?« erkundigte sich Suko.
»Doch, das schon.« Sie nickte. »Es gab da einige Freundinnen, aber es waren nie die richtigen. Eine Frau zum Heiraten hat er bis heute nicht gefunden. Aber damit habe ich nichts zu tun. Nicht dass Sie denken, ich hätte ihn davon abgehalten, nein, ich bin keine Mutter, die ihren Sohn für immer behalten will, aber er ist zudem noch jung, und seine zukünftige Frau müsste sich auch mit seinem Beruf identifizieren können, den er mehr als Berufung ansieht.«
»Das wird schwer sein.«
»Gebe ich zu.«
Suko wollte die nächste Frage stellen. Dazu kam er nicht mehr, denn
Weitere Kostenlose Bücher