0815 - Der Sieben D-Mann
daß das Leben für dich ziemlich unbequem werden wird, wenn sich herausstellt, daß du mir falsche Daten angegeben hast."
„Auch das ist mir bekannt", sagte Tenvyn-Naar.
„Gut", brummte Raapon-Syn und schaltete ab.
Tenvyn-Naar saß noch lange Zeit in Gedanken. Er fragte sich, warum Raapon-Syn sich nicht die Mühe machte, die Daten selbst zu inspizieren und sich zu überzeugen, daß sein Untergebener die Wahrheit sagte. Natürlich war ein solcher Gedanke fast ketzerisch. Die larische Hierarchie, die einst flexibel gewesen war und dem Mann der unteren Rangstufen vielerlei Aufstiegsmöglichkeiten geboten hatte, war erstarrt. Sie hatte ihre Biegsamkeit verloren, als die Invasion dieser Galaxis erfolgreich abgeschlossen war und die larischen Invasionsarmeen keinen Widerstand mehr zu fürchten hatten.
Die Rangstruktur war eingefroren, und mit ihr die Verantwortung. Untergebene waren dafür verantwortlich, daß sie korrekte Informationen lieferten. Vorgesetzte trugen die Verantwortung dafür, daß sie diese Informationen an ihre Vorgeordneten weiterleiteten. Für weiter nichts. Initiative gab es nicht mehr.
Wir haben - dachte Tenvyn-Naar, der kein junger Mann mehr war - zu verdammt lange in der Etappe gelebt.
Gedanken ganz anderer Art bewegten im selben Augenblick Raapon-Syn, den Kommandanten des larischen Vorpostenschiffs. Er war kein wichtiger Mann in der larischen Hierarchie.
Aber er wußte, daß Germaar-Vonk, der Befehlshaber auf Houxel, die Gruppe der Kelosker im Verdacht hatte, entweder absichtlich falsche Daten zu liefern oder ihre Fähigkeit der hypermathematischen Kalkulation verloren zu haben.
Insofern also schien Tenvyn-Naars Information den Verdacht des Befehlshabers zu bestätigen: die Kelosker funktionierten nicht mehr so, wie sie sollten.
Wenn sich aber Germaar-Vonks Verdacht endgültig bestätigte, dann war der Teufel los. Und wer würde es sein, der den Teufel losgelassen hatte? Raapon-Syn, der dem Befehlshaber das Ergebnis der Messungen übermittelte, die das Vorpostenschiff in der Nähe des sterbenden Sterns angestellt hatte.
Daß er dieses Risiko eingegangen war, als er das Vorpostenkommando übernahm, kam Raapon-Syn nicht in den Sinn. Sein Verstand war gelähmt von Angst. Er brauchte eine halbe Stunde, bis er sich genug Mut eingeredet hatte, den Ruf nach Houxel durchzugeben.
Kershyll Vannes nachdenklicher Blick verriet Besorgnis. Killion Varmell, der Kommandant der PLEYST, bemerkte es. Aber es lag nicht in seiner Art, zu fragen, warum Vanne besorgt war.
„Wenn die Laren das merken, geht es den Keloskern an den Kragen", sagte Kershyll Vanne unvermittelt.
Varmell sah auf. Er stellte noch immer keine Frage, aber an seinem Blick merkte man an, daß er gern gewußt hätte, was Vanne zu dieser Bemerkung veranlaßte. Kershyll Vanne jedoch starrte weiter vor sich hin. Er war noch am Nachdenken. Wenn er fertig war, würde er sagen, was ihn bedrückte.
Die beiden Männer, etwa im gleichen Alter, waren von ungleichem Äußeren. Kershyll Vanne, hochgewachsen, schlank, dunkelhaarig, mit großen, ausdrucksvollen Augen war der Typ, der unfehlbar auf jede Frau gewirkt hätte. Wenn er sprach, gebrauchte er Ausdrücke und Redewendungen, die eine geschliffene Bildung verrieten. Killion Varmell dagegen hatte die Schweigsamkeit zu seiner liebsten Charaktereigenschaft erkoren. Er sprach nur das AIlernotwendigste - das heißt: er sprach in kurzen, abgehackten Sätzen, die nur das enthielten, was zum Verständnis unbedingt notwendig war.
Varmell war eher ein wenig kurz geraten, wirkte untersetzt und stämmig und aufgrund seiner Wortkargheit manchmal ein wenig linkisch. Daß er einer der tüchtigsten Offiziere der Flotte des NEI war, wußten nur seine Vorgesetzten und die Besatzungen, die unmittelbar unter ihm gedient hatten.
Die Unterhaltung - der man bislang diesen Namen eigentlich noch nicht geben durfte - spielte sich in einem kleinen Besprechungsraum abseits des Kommandostands der PLEYST ab.
Kershyll Vanne hatte vor ein paar Minuten eine Serie hyperphysikalischer Messungen beendet und sofort im Anschluß daran Varmell um eine Unterredung gebeten. Die PLEYST stand in der wabernden Gluthölle der Korona von Arcur-Alpha.
Die Schutzschirme waren voll angefahren. Im Raum zwischen den beiden Komponenten der Doppelsonne tummelten sich zwei Dutzend automatische Meßsonden - zu winzig, als daß sie der larischen Ortung hätten auffallen können.
Kershyll Vanne stand auf.
„Die Kelosker haben versagt!"
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