082 - Das Geheimnis der Kristalle
Aruula an, dass es vor Anker lag. Es war ein Segelschiff, ähnlich jenem, das ihnen zwei Nächte zuvor einen Besuch abgestattet hatte. Im Mondlicht konnte Aruula die Deckaufbauten und die Balustrade der Reling erkennen. Kein Mensch hielt sich auf dem Oberdeck auf. Wahrscheinlich lag die Besatzung in den Kojen und schlief.
»Keine Gefahr also«, murmelte sie halb zu Wulf, halb bei sich selbst. Sie hätte jetzt zurückgehen können, hätte Dave und Aiko und Pieroo wecken und ihnen sagen können: »Da ankert ein Schiff in der Nähe, die Besatzung schläft. Wie halten wir es damit?« Der Gedanke blitzte auch kurz in ihr auf, versank aber sofort wieder in der Hitze und Schwere, die ihren Kopf ausfüllten.
»Ich schwimm rüber«, murmelte sie.
Das Schiff ankerte etwas mehr als einen Speerwurf entfernt.
Sie watete ins seichte Wasser, bis es ihr an die Hüften reichte.
Dann stieß sie sich ab und schwamm los.
Der Lupa stand mit aufgerichteten Ohren und in die Höhe gereckter Rute am Ufer und blickte ihr nach…
***
Jubel und Erregung brandete gegen ihre Aura. Wieder pulsierten Gedankenströme voller Erwartungen, Segnungen und Wünschen von allen Seiten des Landeplatzes. Ohne Zweifel: Die Modelle erster Ordnung holten den nächsten Berufenen ab.
Gern hätte Ora’leq’murana sich in die Wogen der Emotionen und der fiebernden Erwartung sinken lassen, gern hätte sie die Erregung der anderen deutlicher gespürt und sich selbst darüber vergessen. Diesmal aber gelang ihr nicht, wogegen sonst nicht einmal ihr entschiedener Widerstand etwas hätte ausrichten können: Diesmal versank sie nicht in Euphorie.
Etwas Fremdes berührte sie, hielt sie fest.
Verwirrt weitete sie ihre Aura bis an die Grenzen des Möglichen aus. Ja, da war etwas. Eine fremde ontologisch-mentale Substanz, eine Aura, die sich vollkommen unvertraut anfühlte. Mehrere sogar; sie mussten sich in unmittelbarer Nähe ihrer Speichereinheit aufhalten.
Konnte das wirklich sein? Auf so etwas war sie nicht vorbereitet. Niemand war auf so etwas vorbereitet. Der Landeplatz war unerreichbar für alle biotischen Organisationen des Zielplaneten, abgesehen natürlich von den primitiven Wasser-Gattungen.
Was mochte das sein? Womöglich schon das Ziel? Denn die fremde ontologisch-mentale Substanz berührte sie immer stärker dort, wo das Bild noch leuchtete, das der Sol ihnen zum Landeplatz geschickt hatte. Das Bild des Ziels.
Oder war am Ende doch freiwillig zurückgekehrt, was allen gehörte und was der Lun holen lassen wollte?
Ora’leq’muranas Aura flackerte und pulsierte heftig und unregelmäßig. So weit ihre Kraft reichte, tastete sie die Umgebung ihrer Speichereinheit ab. Sie fand keine Erklärung für das Fremde in ihrer Aura, zog sich mutlos zurück.
Und dann spürte sie es doch: eine fremde Bio-Organisation!
Kein Modell, denn die Struktur ihres Nervensystems wies keinerlei Prägung auf, die sie als Eigentum kennzeichnete wie etwa die Modelle erster Ordnung! Ein Primärrassen-Vertreter am Ende?
Ora’leq’murana wusste weder ein noch aus. Was geschah mit ihr? (Wo bist du, Ora’sil’gagaru! Berühre mich…!)
***
Sie ließen sich Zeit. Nur keine unnötige Bewegung der Seegrashalme verursachen, nur keinen Schlamm aufwirbeln, und bloß nicht versehentlich den Wasserrückstoß aktivieren!
Langsam, Zentimeter für Zentimeter fast, schwebten sie bis zum Rand des Seegras-Waldes. Matt hatte viel Zeit, sich Gedanken zu machen.
Warum hatten wir bislang noch keinen Kontakt zu der Macht im See?, grübelte er. Smythe und Crow hatten ihn zweifellos. -
Gott im Himmel. Es war alles geplant… Das weist eindeutig darauf hin, dass Lynne Crow in den letzten Sekunden vor ihrem Tod etwas erfahren haben muss.
Sie wurden angegriffen, gab er sich selbst die Antwort. Diese ominöse Macht wurde auf sie aufmerksam und stellte die Verbindung her. Er ballte die Hände zu Fäusten, als ihm die Konsequenz bewusst wurde: Wir werden keine Antworten erhalten - bis sie uns entdecken. Und dann sind wir so gut wie tot!
Zwischen den letzten Halmen leuchtete es grün. Mit einer Flossenbewegung gab Mer’ol den Männern zu verstehen, sich auf den Boden zu kauern. Er machte es ihnen vor, und sie folgten seinem Beispiel. Behutsam drückten sie ein paar Halme auseinander. Und erblickten das atemberaubende Schauspiel: Grünes Licht pulsierte, wohin das Auge blickte.
Auf einem Streifen von etwa fünfhundert Meter sah man noch hier und da vereinzelte Kristalle, doch meistens auch
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