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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Sky
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– was wollt ihr?“ fragte Anne Bloom, als sie im Park waren.
    „Bitte, Fräulein Bloom, bitte, glauben Sie mir, daß ich Ihnen wirklich keinen Unsinn erzählen will“, begann Harriett. „Ich hatte nicht vor, einen dummen Streich zu spielen.“
    „Du machst mich neugierig“, antwortete Anne Bloom zurückhaltend.
    „Heute nacht sind Petra und ich im Schloß herumgewandert. Wir wollten etwas erleben. Zunächst sind wir in die Folterkammer gegangen. Dort haben wir etwas Schreckliches gesehen.“
    „So?“
    „Ich weiß, Sie glauben mir nicht, aber es stimmt. Alles ging furchtbar schnell und ich erinnere mich eigentlich nur noch an Blut. Wir sind weggelaufen, und irgend jemand ist uns gefolgt. Wir haben die Tür abgeschlossen. Dieser – dieser Mann war an der Tür. Er wollte sie öffnen. Wir haben es deutlich gehört.“
    „Und dann?“
    „Nichts weiter.“
    Harriett spürte, daß die Englischlehrerin ihr nicht glaubte.
    „Bitte, Fräulein Bloom, können wir nicht zusammen hinuntergehen und nachsehen, was da war? Am Tag kann ja nichts passieren.“
    „Warum nicht“, sagte Anne betont gleichgültig. „Zunächst will ich aber wissen, was du auf dem Boden wolltest, Harriett.“
    „Ich habe ein – Wimmern gehört, bin – hinaufgegangen und habe die – weiße Frau gesehen.“
    Harriett sprach mit gesenktem Kopf. Sie war blaß und sprach stockend und langsam. Anne Bloom wußte nicht, ob sie ihr vertrauen konnte. Sie war mißtrauisch und ängstlich geworden. Nichts fürchtete sie zu diesem Zeitpunkt mehr, als zum Gespött der Mädchen zu werden. Sie wußte sehr genau, wie leicht eine Lehrerin das Opfer einer übermütigen Horde von Teenagern werden konnte.
    „Also“, sagte sie gewollt heiter. „gehen wir in den Keller, meine Damen.“
    Sie drehte sich um und kehrte zum Haus zurück. Petra und Harriett blieben neben ihr. Anne Bloom achtete sorgfältig darauf, wie die Mädchen sich benahmen. Bei dem leisesten Gekicher oder Getuschel hätte sie hart und streng reagiert und jegliches Interesse an weiteren Untersuchungen verloren.
    Die Tür zur Folterkammer stand offen. Anne knipste das Licht an und ging den beiden Mädchen voran die Wendeltreppe hinunter. Sie empfand überhaupt nichts; sie war weder neugierig noch ängstlich. In den vergangenen Jahren war sie einige Dutzend Male hier unten gewesen. Die Folterkammer hatte nichts Unheimliches für sie. Oft genug hatte sie den Schülerinnen oder auch Besuchern die Folterinstrumente erläutert.
    Als sie um die letzte Wende der Treppe kam, konnte sie den Strecktisch sehen. Sie erschrak nun doch ein wenig, denn er war tatsächlich voller Blutflecken.
    „Sehen Sie!“ sagte Petra leise.
    Harriett ging an den Tisch heran und sah sich um. Auf dem Boden lagen Fellreste.
    „O Gott, jetzt begreife ich!“ sagte Harriett.
    „Dann erkläre mir, bitte, was hier los war.“
    Harriett faßte sich ans Kinn, schüttelte den Kopf und erzählte: „Petra und ich haben den alten Keschmer beobachtet, wie er im Park einen Dachs gejagt und auch gefangen hat. Wir haben uns noch über ihn lustig gemacht, weil er sich dabei so – hm -dumm anstellte.“
    „Ja – und? Was weiter?“
    „Keschmer muß hierher gegangen sein. Als wir nach unten kamen, stand er hinter dem hochgeklappten Tisch, so daß wir ihn nicht sehen konnten. Als wir eintraten, kippte der Tisch herunter. Er lag darauf.“
    Anne Bloom hörte schweißgebadet zu. Sie wußte immer noch nicht, worauf Harriett hinauswollte.
    „Verstehen Sie denn nicht, Fräulein Bloom?“ fragte das Mädchen erschauernd. „Der verrückte Keschmer muß den Dachs hier geschlachtet und sein Blut getrunken haben. Sein ganzes Gesicht – seine Hände – alles war voller Blut. Und er grinste mich an. Ich habe ihn nicht erkannt. Ich war viel zu erschrocken und entsetzt. Dann kam er uns nach. Vielleicht wollte er alles nur erklären, aber …“
    Anne Bloom umrundete den Tisch und bückte sich. Auf dem Boden lag ein Stückchen Fell, so groß wie eine Handfläche. Es konnte durchaus von einem Dachs stammen. Sie glaubte Harriett. Die Folterkammer sah nicht so aus, als sei sie von den Mädchen so hergerichtet worden. Außerdem schien es ihr nach dem Tod von Gerlinde und Lydia unwahrscheinlich, daß Harriett und Petra einen Schülerscherz so weit treiben würden.
    „Ich werde mit Frau von Stöckingen reden.“
    „Was ich nicht verstehe, Fräulein Bloom, ist, wie der Alte wieder herausgekommen ist. Es gibt doch nur diesen einen Ausgang –

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