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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Sky
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Unter ihr in der Folterkammer bewegte sich etwas. Irgend etwas schabte schwerfällig über den Boden. Es klang, als ob jemand sich mühsam durch die Kammer schleppte, ohne die Füße anzuheben. Gleichzeitig hörte sie den keuchenden Atem eines Mannes. Er röchelte kurzatmig wie jemand, der am Ende seiner Kräfte war, oder wie ein Raubtier, das von seiner Gier nach der Beute geradezu überwältigt wurde.
    Anne Bloom zweifelte nicht mehr im geringsten daran, daß dort unten wirklich jemand war. Sie schrie erneut und trommelte wieder gegen die Tür, ohne jeden Erfolg jedoch.
    Dann vernahm sie den ersten Schritt auf der Treppe. Der Unbekannte stieg zu ihr herauf. Wieder ein Schritt. Anne dachte an das, was Harriett und Petra erlebt hatten. War das der schwachsinnige, Keschmer, der ihr folgte?
    „Keschmer?“ rief sie ängstlich.
    Keine Antwort.
    „Keschmer?“
    Der Mann unten setzte den Fuß auf die nächste Stufe. Er kam näher und näher.
    Wild und verzweifelt schlug sie mit den Fäusten gegen die Tür. Sie rüttelte am Türgriff und schrie und schrie. Ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben. Sie wußte, daß sie nicht mehr lange durchhalten würde, daß sie dem Wesen aus der Folterkammer nicht gewachsen war.
    Warum öffnete ihr denn niemand? Im Untergeschoß des Schlosses mußte sich doch irgend jemand aufhalten?
    Die Schritte dröhnten immer lauter. Der keuchende Atem kam näher. Anne glaubte, das Unheimliche bereits körperlich zu spüren. Wer auch immer auf sie zukam, er konnte höchstens noch anderthalb oder zwei Meter von ihr entfernt sein; er hatte vielleicht noch sieben oder acht Stufen zu überwinden, dann mußten sich seine Hände um ihren Hals legen.
    Die Lehrerin preßte sich gegen die Tür. Ihre Arme erlahmten. Sie konnte sie kaum noch hochhalten. Schluchzend schrie sie um Hilfe, doch ihre Hoffnung, gerettet zu werden, erlosch allmählich. Sie glaubte den Atem des Ungeheuers in ihrem Nacken zu spüren. Das Wesen lachte leise. Es war sich seiner Sache sicher. Anne hörte Eisen über Eisen schaben. Zog der Unbekannte ein Messer, um sie kaltblütig abzuschlachten?
    „ … entkommst … nicht mehr …“
    Die Wortfetzen waren kaum verständlich und schienen einer alten Sprache anzugehören.
    „Hilfe!“ schrie sie ein letztes Mal.
    Und dann hörte sie schnelle Schritte, die sich der Tür auf der anderen Seite näherten. Der Schlüssel drehte sich im Schloß, und die Tür flog auf.
    Dr. Schwab stand ihr gegenüber. Sie sank ihm in die Arme, weil sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Er strich ihr besänftigend über das Haar.
    „Was ist denn los, Anne?“ fragte er.
    Sie brachte kein Wort heraus, sondern deutete nur auf die dunkle Kellertreppe. Er ließ sie behutsam los, ging zum Lichtschalter und drehte ihn herum. Das Licht flammte auf. Er stieg die Wendeltreppe hinunter.
    „Nicht!“ rief sie, doch er ließ sich nicht aufhalten.
    Nach kaum einer halben Minute kehrte er zurück und blickte sie fragend an.
    „Nichts?“ fragte sie mit bebender Stimme.
    Ihre Pupillen waren geweitet. Sie fürchtete sich vor seiner Antwort. Er schüttelte den Kopf.
    „Nichts“, erwiderte er. „Alles ist so, wie es sonst auch ist.“
    „Mein Gott“, schluchzte sie. „Sie müssen mich ja für hysterisch halten!“
    Sie drehte sich um, lief die Treppe hinauf in ihr Zimmer, verschloß die Tür hinter sich und öffnete sie auch nicht, als Dr. Schwab weniger später klopfte.
    „Anne“, rief er leise. „wollen Sie mir nicht sagen, was Sie dort unten gesehen haben? Was hat Sie so erschreckt?“
    „Bitte, lassen Sie mich allein!“
    „Ich möchte Ihnen helfen.“
    „Ich brauche keine Hilfe.“
    „Soll ich einen Arzt rufen?“
    Sie preßte die Lippen verbittert aufeinander. Er glaubte also, daß sie Halluzinationen gehabt hatte. Er begann an ihrem Verstand zu zweifeln.
    „Ich brauche keinen Arzt, denn ich bin nicht verrückt – wenn Sie das meinen.“
    „Anne, bitte, seien Sie doch vernünftig! Öffnen Sie!“
    Sie antwortete nicht, sondern setzte sich auf den Stuhl am Fenster und blickte in den Park hinaus! Zwei Polizeiwagen standen vor dem Portal. Ein Rolls Royce fuhr gerade vor. Er hatte eine Düsseldorfer Nummer. Eine blonde Dame stieg aus dem Luxuswagen. Es konnte nur die Mutter von Petra König sein, denn Petra war die einzige Schülerin, die aus Düsseldorf kam. Wahrscheinlich wurde sie abgeholt.
    Das ist gut, dachte Anne. „Je mehr Mädchen von hier verschwinden, desto besser. Sie hoffte, daß

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