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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Sky
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hat sich doch nichts geändert. Und glauben Sie wirklich, ich würde aus beruflichem Ehrgeiz das Leben irgendeines Menschen gefährden? Ich kann recht gut auch mit beruflichen Rückschlägen leben, nicht aber mit dem Bewußtsein, für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein.“
    „Gehen Sie!“
    Die Stimme der Frau war so haßerfüllt, daß Anne sich schweigend erhob. Sie wußte, daß jedes weitere Wort überflüssig war. Frau von Stöckingen tat ihr leid. Sie machte ihr keinen Vorwurf, denn sie war sich ja gar nicht dessen bewußt, was sie tat; sie glaubte einfach nicht daran, daß die Befürchtungen berechtigt waren! Nach wie vor weigerte sie sich, außersinnliche Kräfte und Vorkommnisse als real anzuerkennen.
    Auf dem Flur wartete Ilona von Perlberg. Sie kam auf Anne Bloom zu.
    „Wir haben Harriett noch immer nicht gefunden, Fräulein Bloom.“
    Die Englischlehrerin blickte auf die Uhr. Es war kurz vor vier. Sie hatte Harriett vergessen gehabt. Es war klar, daß sie die Mädchen nicht nach Hause schicken konnte, bevor sie Harriett gefunden hatten.
    „Ist die Polizei verständigt worden?“
    „Wir hielten das nicht für nötig. Wir wußten ja nicht …“
    „Moment, bitte!“
    Anne Bloom eilte zum Arbeitszimmer Dr. Schwabs. Der Mathematiklehrer diskutierte mit Dr. Lohmann. Überrascht sahen die beiden Männer auf. Sie hatten nicht mit ihrer Kollegin gerechnet.
    „Harriett ist verschwunden“, sagte sie. „Die Mädchen haben sie bisher vergeblich gesucht. Ich möchte, daß wir die Polizei benachrichtigen.“
    Die beiden Männer erhoben sich.
    „Ist das nicht ein wenig verfrüht?“ fragte Lohmann unschlüssig.
    „Wenn Sie meinen, daß es sinnvoller wäre, die Polizei erst dann zu rufen, wenn wir eine Leiche entdeckt haben, dann haben Sie recht“, antwortete Anne Bloom hitzig.
    Dr. Lohmann fuhr zusammen.
    „Reden Sie doch nicht solchen Unsinn!“ sagte er betroffen. „Bis jetzt ist noch nicht erwiesen, daß überhaupt etwas passiert ist.“
    „Bewiesen nicht, aber wir haben schon zweimal zu spät gesucht. Ich möchte nicht, daß das ein drittes Mal geschieht.“
    Sie ging zum Telefon, das auf dem Schreibtisch stand, doch Dr. Schwab nahm den Hörer schon vorher ab und wählte.
    „Sollten wir nicht vorher Frau von Stöckingen informieren?“ fragte Dr. Lohmann unsicher.
    „Das werde ich übernehmen“, entgegnete Anne.
    Sie verließ das Zimmer und stand kurz darauf der Schulleiterin gegenüber. Diese war kaum bereit, sie überhaupt nur anzuhören.
    „Lassen Sie mich mit Ihrem hysterischen Unsinn zufrieden“, sagte sie.
    Und zum erstenmal, seit Anne sie kannte, klang ihre Stimme schrill. Frau von Stöckingen zeigte, daß auch sie Nerven hatte.
    „Nun, ich habe Ihnen die Meldung gemacht“, sagte Anne betont ruhig. „Dr. Schwab verständigt die Polizei. Wir möchten Harriett lebend finden.“
    „Gut, gut. Lassen Sie mich jetzt allein!“
    Die Englischlehrerin ging hinaus. Der alte Keschmer kam schniefend die Treppe herunter. Anne Bloom war überrascht, ihn hier im Schloß zu sehen. Im ersten Moment wollte sie vor ihm zurückweichen, aber dann wurde ihr bewußt, daß er harmlos war, wenn auch abgrundhäßlich und abstoßend, aber dafür konnte er nichts; alle Welt behandelte ihn ablehnend; das war nicht richtig.
    Sie quälte sich ein freundliches Lächeln ab, als er bei ihr vorbeikam, und nickte ihm grüßend zu. Er blieb stehen, blickte sie mit seinem einen Auge an, als habe er sie noch nie zuvor gesehen, und lächelte. Sein Gesicht verzog sich zu einer abscheulichen Fratze, aber Anne beherrschte sich und wich nicht vor ihm zurück. Er griff unterwürfig nach ihrer Hand und verneigte sich tief vor ihr. Dann starrte er sie erneut dankbar an, hüpfte kaum merklich auf der Stelle und schlurfte hinkend davon.
    „Oho, sie hat einen neuen Bewunderer“, sagte Dr. Lohmann, der die Szene unbemerkt beobachtet hatte. „Dr. Schwab wird sicherlich eifersüchtig werden, wenn er davon erfährt.“
    Anne preßte die Lippen zusammen und eilte an ihm vorbei nach draußen. Keschmer war schon verschwunden. Ilona von Perlberg wartete auf sie. Die anderen Mädchen durchsuchten den Park nach Harriett.
     

     
    Ein alter Mercedes hielt vor dem Schloßportal.
    Anne Bloom dachte, daß wieder eines der Mädchen abgeholt wurde, doch sie irrte sich. Anton Grünwald stieg aus dem Wagen.
    „Sie?“ fragte Anne erstaunt. „Ich dachte, Sie wollten erst heute abend kommen?“
    „Ich habe es mir anders überlegt“,

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