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082 - Niemand hört dich schreien

082 - Niemand hört dich schreien

Titel: 082 - Niemand hört dich schreien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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und es kostete ihn große Überwindung, seinen Blick auf die zugemauerte Tür zu richten. Alles Üble geht von dort aus, sagte er sich. Es hat hinter dieser Tür seinen Ursprung. Aber das Böse wird nicht mehr lange hinter dieser Mauer bleiben.
    Innerlich verkrampft, blickte sich Paul Irving um. Verblüfft stellte er fest, daß der Raum leer war. Eine Vielzahl von Gedanken durchstürmte ihn.
    Carpenter war zum Glück nicht tot. Verletzt, das schon, aber nicht tot. Dem Verwalter fiel ein Stein vom Herzen. Ihn wunderte, daß nirgendwo auf dem Boden Blut zu sehen war, und er wagte anzunehmen, daß Carpenters Verletzung nicht besorgniserregend war.
    Der Mann hatte geblutet, und das hatte Lilly Kovacs geschockt. Aber es ging Carpenter offenbar glücklicherweise besser, als das Mädchen annahm.
    Da ihnen Carpenter nicht entgegengekommen war, mußte er sich in der entgegengesetzten Richtung entfernt haben, also dorthin, woher die Gruppe das unterirdische Gewölbe betreten hatte.
    Irving wollte den Mann zurückholen. Er eilte in dieselbe Richtung. »Mr. Carpenter!« Laut und gespenstisch hallte der Ruf durch Räume und Gänge. »Mr. Carpenter, wo sind Sie?«
    Der Mann gab keine Antwort. Auch das noch, dachte Irving ärgerlich. Noch warteten die Leute auf seine Rückkehr, aber schon bald würden sie die Geduld verlieren. Dann würde die Gruppe auseinanderfallen, und jeder würde für sich allein versuchen, einen Weg nach oben zu finden.
    »Mr. Carpenter, hören Sie mich?«
    Vor Irvings geistigem Auge entstand eine schreckliche Vision. Er sah Carpenter orientierungslos durch die Gänge torkeln. Er fand den Weg zurück nicht, verirrte sich in dieser düsteren, unterirdischen Welt und brach irgendwo ohnmächtig zusammen. Deshalb konnte er jetzt nicht antworten.
    »Mr. Carpenter!«
    Paul Irving warf in jeden Raum, in jede dämmrige Nische einen Blick. Von Carpenter keine Spur.
    Ein eigenartiges Gefühl beschlich den Schloßverwalter. Ihm war, als würde sich jemand furchtbar über ihn und seine Ratlosigkeit amüsieren. War es Pendrake oder nur Einbildung?
    Er sagte sich, daß er unmöglich noch länger nach Carpenter suchen konnte. Er mußte umkehren und die Führung erst einmal beenden. Dann würde er noch einmal hierher kommen und gewissenhafter nachsehen.
    Geisterte in diesem Moment nicht ein höhnisches Kichern durch das Gewölbe? Irving fuhr sich mit den Fingern nervös durch das dunkle Haar. »Fang jetzt bloß nicht zu spinnen an«, murmelte er und kehrte um.
    Wurde er beobachtet? Es kam ihm so vor, aber er weigerte sich, es als Tatsache hinzunehmen. Einbildung, redete er sich ein. Alles Einbildung. Doch sein Unterbewußtsein konnte er damit nicht täuschen. Alles, was geschah, war auf einen einfachen Nenner zu bringen: Clive Pendrake!
    Diesmal beachtete er die zugemauerte Tür nicht. Er eilte an ihr vorbei, als würde es sie nicht geben. Lilly Kovacs lehnte noch an der kalten Steinmauer.
    Sie kam dem Verwalter jetzt noch verwirrter vor. Er war nicht sicher, ob sie verstand, was er sagte. Trotzdem bemerkte er: »Mr. Carpenter befindet sich nicht mehr hier unten. Ich nehme an, er hat sich nach oben begeben und erwartet uns im Schloßhof.«
    Lilly Kovacs hob die zitternden Hände und legte sie auf ihre Wangen. Nun hatte sie Carpenters Blut auch im Gesicht. Schrecklich sah sie aus.
    Wenn Irving sie so zu den anderen gebracht hätte, wären bestimmt einige in Ohnmacht gefallen.
    Er gab ihr sein Taschentuch und forderte sie auf, sich Gesicht und Hände zu säubern, doch sie tat es nicht. Also nahm er ihr das Taschentuch wieder weg und reinigte selbst ihre Hände und die Wangen. Während er das erledigte, wollte er von ihr erfahren, was denn nun passiert wäre, doch Lilly stammelte nur unzusammenhängendes Zeug.
    »Blut… Nick, tot… Angst… Hilfe… Ich will fort… Die Tür… Gefahr…«
    »Kommen Sie, Miss Kovacs«, sagte Irving ernst. »Ich kann die anderen Besucher nicht länger warten lassen. Wenn wir im Schloßhof nicht auf Nick Carpenter stoßen, wird sich meine Tochter um Sie kümmern, und ich sehe mich noch mal gründlich hier unten um. Ich bin sicher, wir werden ihn finden.«
    Er überlegte sich in aller Eile, was er den Leuten erzählen sollte. Am besten eine Halbwahrheit. Nichts von Blut, das war klar. Einfach nur, daß die beiden sich verlaufen hatten, und daß Lilly dabei einen kleinen Schock bekam, von dem sie sich bald erholen würde.
    Lilly folgte ihm willenlos. Die Besucher waren bereits hochgradig nervös,

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