082 - Niemand hört dich schreien
jetzt bitten, sich vollkommen ruhig zu verhalten. Konzentrieren Sie sich auf diese zugemauerte Tür und sprechen Sie in den folgenden Augenblicken auf gar keinen Fall den Namen des Hexers aus. Sie könnten damit Schreckliches heraufbeschwören.«
Die Schloßbesucher rückten noch enger zusammen. Lilly Kovacs spürte ihr Herz hoch oben im Hals schlagen. »Meine Güte, die Aufregung wird mir fast schon zuviel«, stöhnte sie.
»Was habe ich gesagt?« erinnerte ihr blonder Freund sie. »Solange ich bei dir bin, kann nichts passieren.«
Paul Irving trat drei Schritte zur Seite. Es gab elektrisches Licht im ganzen Schloß, und auch hier unten. Der Verwalter griff nach dem Schalter.
Gleich würden die Besucher mit einem Phänomen konfrontiert werden, an dem sich bereits einige Parapsychologen die Zähne ausgebissen hatten. Niemand konnte dieses Rätsel lösen. Keinem war es bisher möglich gewesen, dieses Geheimnis zu lüften.
Was Paul Irving über den Zauber und die Magie gesagt hatte, war nicht erfunden, um die Menschen zu beeindrucken, sondern es entsprach der Wahrheit.
Irving löschte das Licht. Lilly Kovacs stockte der Atem, doch nicht nur ihr. Obwohl die Leuchten nicht mehr brannten, war es nicht völlig dunkel im Raum.
Ein fluoreszierender Schein sickerte aus den Mörtelfugen, und die Steine überzogen sich mit einem stumpfen Rot, als würden sie glühen.
Keiner wagte Pendrakes Namen auszusprechen. »Wer jetzt noch zweifelt, dem ist nicht mehr zu helfen«, bemerkte der Verwalter.
Lilly glaubte, stärker auf die unheimlichen Zauberkräfte anzusprechen als die anderen. Das Glühen der Steine schien sich auf eine unbegreifliche Weise auf ihren Geist zu übertragen. Sie spürte ein heftiges Brennen zwischen ihren Schläfen und stöhnte leise.
Nick Carpenter sah sie besorgt an. »Bist du okay, Lilly?«
Sie hörte seine Stimme, verstand die Worte aber nicht. Ihre Augen wurden immer größer, und ihre Miene drückte große Furcht aus. Aber auch Ungläubigkeit.
Das kann nicht sein, dachte sie, bebend vor Angst, denn sie vermeinte, durch die Steine eine Fratze zu sehen, die sie grauenerregend angrinste. Das muß ich mir einbilden!
Aber es war keine Einbildung. Clive Pendrake, der Hexer, hatte Kontakt mit ihr aufgenommen!
***
Ich hob das Glas gegen das Sonnenlicht, das zum Fenster hereinfiel, und erfreute mich an der goldenen Farbe meines Pernod. Dann nahm ich einen Schluck und stellte das Glas vor mich hin.
In der jüngsten Vergangenheit hatten sich die Ereignisse wieder einmal überstürzt. Nach den Qualen, die ich in der siebenten Hölle hatte erleiden müssen, war ich ganz froh, für eine Weile allein zu sein und Ordnung in das Gewirr meiner Gedanken bringen zu können.
Unsere erbitterten Kämpfe gegen die schwarze Macht hatten zahlreiche Probleme aufgeworfen. Einige hatten sich inzwischen selbst erledigt. Bei anderen hatten wir eine Lösung erzwungen: Zuletzt war es uns gelungen, Tucker Peckinpah der Hölle zu entreißen.
Er war bereits einen Tag nach seiner Rückkehr drangegangen, sein weitverzweigtes Imperium wieder unter sein Kommando zu stellen. Bisher hatte sein Anwalt Dean McLaglen dafür gesorgt, daß alles lief.
McLaglen hatte das recht gut gemacht, doch niemand besaß Peckinpahs Fingerspitzengefühl und seinen untrüglichen Riecher für lukrative Geschäfte, deshalb konnte McLaglen nur den Status quo aufrechterhalten und verhindern, daß die Unternehmungen auseinanderbrachen. An Expansionen war nicht zu denken.
Ich hatte den Parapsychologen Professor Bernard Hale gebeten, ein Sicherheitssystem für Peckinpahs Haus auszutüfteln, damit uns unser Freund nicht wieder abhanden kam, aber ich machte mir natürlich nichts vor.
Jedes Sicherheitssystem ist zu überlisten, und außer Haus würde Peckinpah weiterhin so gefährdet sein wie bisher. Daran konnte auch sein Leibwächter, der Gnom Cruv, nicht allzuviel ändern. Aber ein wenig beruhigte es mein Gewissen doch, daß nun nicht mehr jeder Dämon an Tucker Peckinpah herankam, wenn er sich in seinem Haus aufhielt.
Ich nippte an meinem Drink. Vieles hatten wir erledigt; es konnte zu den Akten gelegt werden. Viele Probleme aber hatte ich bisher immer von mir geschoben. Ich wollte mich damit nicht befassen, doch nun überfielen mich unangenehme Gedanken, ließen mich nicht los und beunruhigten mich sehr.
Meine Wesensänderung gab mir zu denken. Zuerst hatte ich es auf Überlastung, auf ein erholungsbedürftiges Nervenkostüm geschoben, wenn ich mich
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