0822 - Ein Fremder auf Luna
war innerhalb der nächsten Minuten zu rechnen. Jentho Kanthall, Bilor Woznell und Sailtrit Martling, selber ihres Zeichens Arzt, warteten voller Spannung in einem kleinen Raum, der an das Untersuchungszimmer angrenzte.
Die Verbindungstür öffnete sich selbsttätig, zum Zeichen, daß die Analyse beendet war. Der Analysator schwebte leise summend neben der Liege, auf der die Kranke ruhte. Als er die Eintretenden bemerkte, glitt er auf sie zu.
„Die anhaltende Bewußtlosigkeit wird von einem schweren Trauma verursacht", erklärte er mit sanfter, vorzüglich modulierter Kunststimme. „Die Ursache des Traumas konnte noch nicht erkannt werden. Es handelt sich um die Spur eines Erlebnisses, von dem die Patientin überzeugt war, daß sie es nicht lebend überstehen würde."
Jentho Kanthall nickte. Er fühlte sich hilflos.
„Wie geht es weiter?"
„Eine beträchtliche Menge von Daten sind bereits gesammelt worden. Sie müssen ausgewertet werden. Weitere punktuelle Analysen sind womöglich erforderlich. Die Patientin ist der Obhut eines Medo anzuvertrauen."
„In Ordnung", sagte Jentho Kanthall.
Er wußte nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Der Analysator glitt auf den Ausgang zu. Die Tür öffnete sich, noch lange bevor er sie erreichte. Lautes Poltern war zu hören. Mit allen Anzeichen höchster Erregung kam Sante Kanube hereingestürzt und wäre um ein Haar mit dem schwebenden Roboter zusammengeprallt.
„Funkspruch... vom Mond!" stieß er hervor.
Kanthall trat auf den Afrikaner zu und packte ihn bei den Schultern.
„Welcher Inhalt?" fragte er.
„Noch nicht entziffert", ächzte Kanube. „Der Spruch ist gerafft, zerhackt, gedreht und was weiß ich noch alles. Ein Wunder, daß wir ihn überhaupt aufgefangen haben."
„Was heißt das?"
„Er war nicht an uns gerichtet."
„Sondern wohin?"
„Das wissen wir noch nicht, Mann! Walik ist am Rechnen."
Jentho Kanthall stürmte davon. Der Kommunikationsraum lag knapp einhundert Meter entfernt.
Kanthall brauchte zwanzig Sekunden für die Gesamtdistanz. Er fand Walik Kau, Jan Speideck und Mara Bootes mit einem Rechner beschäftigt.
„Was ist los?" platzte es aus ihm heraus.
Walik Kauk erstattete Bericht.
„Die Empfängerantenne sprach plötzlich an. Das Signal war äußerst schwach, knapp ein Dezibel über der Reizschwelle.
Der einzige Grund, warum der Empfänger überhaupt reagierte, ist die Sendefrequenz. Es handelt sich um eine von NATHANs Standardfrequenzen, auf die unser Sensor geeicht ist."
„Der Spruch war nicht für uns bestimmt?"
„Ganz gewiß nicht."
„Sondern für wen?"
Walik Kauk hob die Schultern.
„Wenn ich das wüßte. Ich kann dir nur die Richtung angeben, in die er ausgestrahlt wurde."
„Aslo...?"
„Goshmos Castle."
Jentho Kanthalls Gesicht wurde zu einer Maske. Er blickte starr vor sich hin, während sein Verstand an der Lösung des Rätsels arbeitete. Auf Luna befanden sich Reginald Bull, Roi Danton und Geoffry Waringer. Seit geraumer Zeit wartete man darauf, daß sie sich mit Terrania City in Verbindung setzten.
Das hatten sie nicht getan. Statt dessen sollten sie jetzt einen Funkspruch an Goshmos Castle abgesetzt haben - einen Spruch, der im Handumdrehen die ganze Hulkoo-Flotte auf die Beine bringen mußte?
„Habt ihr den Text?" fragte er mit dumpfer Stimme.
„Kommt soeben aus der Maschine!" rief Mara Bootes.
„Lies ihn mir vor!" forderte Kanthall.
Marboo nahm die Druckfolie aus dem Auswurf und las: „Die Möglichkeiten, von Luna aus das Projekt Heimat II zu unterstützen, werden vorläufig noch als gering gesehen."
Jentho Kanthall fuhr sich mit der Hand zur Stirn.
„Sind die übergeschnappt?" ächzte er.
*
Amüsiert verfolgte Grukel Athosien das Geschehen, das sich rings um die Schaltzentrale abspielte.
Die drei Belagerer verständigten sich untereinander mit Hilfe von Minikomen. Grukel hatte nur ein paar Minuten gebraucht, um sein Abhörgerät auf die Frequenz einpendeln zu lassen, auf der die gewöhnlich am Handgelenk getragenen Miniatursender arbeiteten. Seitdem hörte er mit.
„Wie lange hält's der Kerl da drinnen noch aus?" beschwerte sich eine mürrische Stimme, die wahrscheinlich Danton gehörte.
„Geduld hat er, das muß man ihm lassen", antwortete Reginald Bull.
„Ich könnte bis zur Tür vordringen und sehen, was er tut", bot Waringer an.
„Laß das lieber sein!" riet Bull. „Der Mann ist mit allen Wassern gewaschen. Man soll sich nicht zu nahe an ihn
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