0824 - Liebestanz der Totenbräute
mehr länger warten und klingelte Sturm.
Als ich neben ihr stehen blieb, wurde die Tür geöffnet. Ein fragendes, etwas unwirsches Gesicht schaute uns an. Eine Frau um die Fünfzig, die eine Brille trug, mit einem graublauen Kostüm bekleidet war und ihr braunes Haar so geschnitten hatte wie die Umrisse eines Helms. Es lag dicht an ihrem Kopf.
Ich nickte ihr zu, aber Jane war schneller. »Guten Abend«, sagte die Detektivin. »Mein Name ist Jane Collins, das ist John Sinclair, wir hätten gern eine Auskunft.«
»Und welche bitte?«
»Es könnte etwas länger dauern«, sagte Jane lächelnd. »Deshalb wäre es nett, wenn Sie uns ins Haus bitten würden.«
Die Frau gab den Weg nicht frei. »Denken Sie nicht, dass Sie stören könnten, Madam?«
»Haben Sie zu tun?«
»Ja.«
»Darf ich dann fragen, wer Sie sind?«
»Helma Griffith. Ich leite das Heim.«
»Dann sind wir genau richtig.« Jane drängte sich vor, die Frau trat unwillkürlich einen Schritt zurück und gab den Weg somit frei. Wenig später standen wir in einer düsteren Halle, die von einem mächtigen Kronleuchter sicherlich hätte erhellt werden können, aber er war nicht eingeschaltet.
»Da Sie jetzt schon einmal hier sind, fassen Sie sich bitte kurz, meine Herrschaften. Was wollen Sie also?«
»Wir suchen eine Frau,« sagte Jane, »eine gewisse Sarah Goldwyn, die hier bei Ihnen gewesen ist.«
Die Antwort erfolgte prompt. »Sie irren sich, bei uns wohnt keine Sarah Goldwyn. Ich als Leiterin habe alle Namen im Kopf.«
»Pardon, aber Sie haben mich missverstanden. Sarah Goldwyn ist keine Insassin, sondern eine Besucherin Ihres Heims.«
»Wenn auch, der Name ist mir unbekannt.«
»War sie denn hier?«
»Das weiß ich nicht.«
Ich mischte mich zum ersten Mal ein. »Ihr ging es um eine Freundin, die hier lebt. Ihr Name ist Hetty Morland. Sagt Ihnen der mehr?«
Helma Griffith wusste, dass sie nicht mehr zurück konnte. Schließlich hatte sie uns erklärt, wie gut sie sich hier auskannte. Sie legte eine Denkpause ein. Die nutzte sie, um die Brille zu putzen. Ihre Augen waren klein, sie zwinkerte unablässig. Dann setzte sie die Brille wieder auf, und ihr Blick nahm einen anderen Ausdruck an. »Ja, da haben Sie Recht. Es gibt bei uns eine Hetty Morland.«
»Wunderbar«, erwiderte Jane lächelnd. »Wäre es möglich, mit ihr zu sprechen?«
»Jetzt?« fragte die Griffith erstaunt.
»Ja, natürlich.«
»Aber die Herrschaften sind beim Essen.«
»Wir können auch warten«, sagte ich.
Ich erntete Widerspruch. »Nein, das brauchen Sie nicht, Mr. Sinclair, die Sache ist schon erledigt, bevor sie begonnen hat.«
»Wie meinen Sie das denn?«
Die Griffith lächelte, als sie sagte: »Hetty Morland ist überhaupt nicht hier.«
Das war für uns trotz allem eine Überraschung. Ich sagte: »Sie meinen, sie ist nicht mehr hier im Haus?«
»Genau.«
»Wo finden wir sie dann?«
Helma Griffith hob die Schultern und gab sich sorgenvoll. »Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Sie hat unser Haus am heutigen Morgen, und zwar sehr früh schon, vor dem Frühstück, verlassen, ohne ein Ziel anzugeben.«
Ich grinste schief, weil ich ihr nicht so recht glaubte. Jane schüttelte den Kopf. »Und das lassen Sie zu, Mrs. Griffith? Sie sollten doch daran denken, dass sie es mit älteren Menschen zu tun haben, die auf sich allein gestellt sich leicht verlaufen können oder sich nicht zurechtfinden.«
»Im Prinzip haben Sie Recht, aber sie ist nicht zum ersten Mal allein unterwegs.«
»Sie machen sich also keine Sorgen?«
»Keine übertriebenen.«
»Das haben Sie Mrs. Sarah Goldwyn auch gesagt«, stellte ich mit einer Zwischenbemerkung fest.
»Nein, habe ich nicht. Ich kenne sie doch nicht. Wie kommen Sie überhaupt darauf?«
»Weil Mrs. Goldwyn hier war. Und Sie werden uns jemanden herholen, der dies bestätigen kann.«
Helma Griffith verzog die Mundwinkel. »Welchen Grund sollte ich dafür haben?« Sie trat leicht mit dem rechten Fuß auf. »Sind Sie mit dieser Dame verwandt?«
»Das nicht.«
»Dann also…«
»Moment, Mrs. Griffith.« Meine Stimme hatte an Schärfe gewonnen, denn allmählich wurde ich sauer, weil ich sehr genau spürte, dass wir hier an der Nase herumgeführt werden sollten. Ich holte meinen Ausweis hervor und hielt ihn ihr hin.
»Was ist das?«
»Falls Sie so etwas noch nicht gesehen haben, will ich Ihnen sagen, dass ich von Scotland Yard bin. Reicht das, um zu begreifen, dass wir gern Antworten auf unsere Fragen
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