0824 - Liebestanz der Totenbräute
plausibel, was du gesagt hast, Jane, aber ich befürchte, dass dies nicht der eigentliche Grund ist, der die Menschen hier von einem Besuch des Seniorenheims zurückhält. Ist dort sonst noch etwas passiert?«
Jane tupfte ihre Lippen ab. »Es gibt Gerüchte, dass Insassen verschwunden sein sollen.« Sie hob die Schultern. »Nichts Genaues weiß man eben.«
»Und du hast nicht nachgefragt?«
»Nein, das habe ich vergessen. Oder sagen wir so: Mir fehlte die Zeit dazu. Außerdem schien den Einheimischen dieses Thema unangenehm zu sein. Sie wollten nicht.«
»Hängen sie mit drin?«
»Nein, das glaube ich nicht. Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
»Das ist natürlich nicht gut«, sagte ich. »Und ich denke auch, dass wir die Lösung hier nicht finden werden.«
Über Janes Lippen huschte ein Lächeln. »Klar, ich weiß, was du damit andeuten willst.«
»Was denn?«
»Du willst hinfahren.«
»Das ist richtig. Ich möchte mir das Seniorenheim aus der Nähe anschauen.«
»Wie steht es mit dem Friedhof?«
»Den auch.«
Jane war voll einverstanden. »Wer zahlt?« fragte sie.
»Diesmal ich.«
»Danke. Hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich mir etwas anderes bestellt.«
»Du raffgieriges Weibstück.«
»Wieso? Man muss sehen, wo man bleibt.«
Im Prinzip hatte sie Recht. Die Kellnerin sah meinen Wink und trat an unseren Tisch. »Hat Ihnen der Klops beschmeckt?«
»Er war sehr gut.«
»Ist auch eine Spezialität des Hauses«, erklärte sie, und ihre Augen strahlten dabei. »Das Rezept hat die Inhaberin von meiner verstorbenen Mutter. Wir sind für diese Klopse berühmt.«
»Werden die auch an das Seniorenheim geliefert?« erkundigte ich mich.
»Nein. Zu denen haben wir keinen Kontakt. Ich habe Ihrer Begleiterin schon etwas darüber gesagt.« Sie strich das Geld ein und bedankte sich für das Trinkgeld.
Dann gingen wir.
Es gab noch einen zweiten Ausgang, so brauchten wir nicht durch die Krachmacher-Diele zu gehen.
Draußen empfing uns eine typisch herbstliche Stimmung. Noch hielt sich die Dämmerung zurück, aber erste Dunstschwaden zogen als dünne Schleier durch die Straßen. Das Laub der Bäume schimmerte in allen Farben. Immer wieder fielen einige Blätter ab und trudelten zu Boden. Hinzu nahm ich dentypischen Geruch von brennendem Holz wahr, denn in zahlreichen Häusern loderte bereits das Feuer in den Kaminen, und der Rauch quoll aus den zahlreichen Schornsteinen.
Eine traurige Stimmung, die von der Vergänglichkeit des Jahres berichtete.
Ich mochte den Herbst, ich wäre gern spazieren gegangen, allerdings mit einem besseren Gefühl als dem, das mich im Moment umklammert hielt. Ich wusste es nicht genau, aber ich ging davon aus, dass uns noch böse Überraschungen bevorstanden.
Und ich sorgte mich um Sarah Goldwyn…
***
Sarah Goldwyn war wie eine Diebin um das Haus herumgeschlichen und durch den Park gewandert, über dessen Größe sie sich wunderte. Wie ihr gesagt worden war, endete er dort, wo der alte Friedhof lag. Um beides voneinander zu trennen, war ein Eisenzaun errichtet worden. Die rostigen Spitzen ragten in die Höhe, und Sarah hätte große Schwierigkeiten gehabt, ihn zu überklettern, aber da gab es noch das Bogentor, das weit offen stand, als wäre es extra für die Toten geöffnet worden, damit sie ihren Totenacker als Zombies verlassen konnten.
Niemand war ihr auf dem Weg zum Friedhof begegnet, und auch jetzt blieb sie allein, obwohl sie dieses Alleinsein gar nicht mochte.
Der Friedhof erweckte bei ihr einen unheimlichen Eindruck. Das mochte an den hohen Bäumen liegen, aber auch an dem wilden Strauchwerk und dem hohen Unkraut, das zwischen den Stämmen wuchs und die meisten Grabsteine verdeckte.
Die Haut in ihrem Gesicht war eiskalt, und Lady Sarah runzelte die Stirn, als sie unter dem Torbogen stand. Bis hierher war sie ziemlich forsch gewesen, aber dieses Gefühl hatte sie jetzt verlassen und war dem einer gewissen Beklemmung gewichen. Das hier war kein Ort, an dem sich jemand wohl fühlen konnte. Hier lagen die Toten.
Das war zwar normal, aber die Horror-Oma wusste auch, dass die Toten nicht immer in den Gräbern blieben. Es gab welche, die aus ihnen hervorkletterten, und gerade Totenäcker wie dieser hier waren Brutstätten für schwarzmagische Gestalten.
Nichts bewegte sich auf dem Friedhof. Abgesehen von den hohen Gräsern, über die der Wind strich und sie zum Zittern brachte. Er spielte auch mit dem alten Laub und schob es raschelnd vor sich
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