0824 - Liebestanz der Totenbräute
nicht trauen, zwinkerte, schaute noch einmal hin, aber das Bild blieb.
Vor ihr wuchs ein Grabmal in die Höhe!
Es war kaum zu fassen, sie hatte damit nicht gerechnet. Dieses Grab war kein normales, es war auch keine Gruft, es sah mehr aus wie ein Totenhaus, denn es war mit einem normalen Eingang versehen, dessen Gitter offen stand.
Säulen stützten ein flaches Dach. Unter ihm befand sich die schwere Steinplatte mit dem verrosteten Ring in der Mitte, der im Maul eines Löwen steckte.
Sarah glaubte nicht daran, dass jemand die Kraft besaß, die Steinplatte anzuheben, dennoch hatte sie das Gefühl, dass sie bewegt worden war, denn beim Nähertreten entdeckte sie, dass in den Ritzen weder Moos wuchs noch irgendwelche Spinnweben steckten.
Vor der Grabplatte blieb sie stehen. Sie hatte den Blick gesenkt und starrte auf das graue Gestein. Sie wusste, dass sie ihr Ziel erreicht hatte.
Hier musste der Baron of Gulbekian liegen. Für Lady Sarah gab es keine andere Möglichkeit.
Dass sie schwitzte, war ihr egal. Sie wusste nur nicht, wie sie sich verhalten sollte. Wieder zurück zum Lintford House laufen und von dort aus ein Taxi bestellen? Oder sollte sie warten, bis es dunkel geworden war? Die Dunkelheit war genau die Zeit, auf die unheimliche und böse Kräfte warteten.
Wenn sie bei diesem Gedanken blieb, musste sie akzeptieren, dass nicht alles tot war, das auf diesem Friedhof lag.
Es gab Leben.
Untotes Leben!
Ein Widerspruch in sich, aber sie hatte gelernt, das zu akzeptieren.
Zu reich an Erfahrungen war ihr Leben bisher gewesen, und mehr als einmal hatte sie sich in Lebensgefahr befunden.
War es ein Fehler, den Friedhof betreten zu haben? Genau wusste sie es nicht, aber es konnte durchaus passieren, dass die hier lauernden Kräfte es einfach nicht zuließen, ihr Opfer wieder laufen zu lassen. Dass sie es sich dann holten, wie sie auch Hetty Morland geholt hatten.
Spekulationen, dachte sie. Das sind und bleiben die reinsten Spekulationen, die durch nichts bewiesen werden können. Dennoch verspürte sie Furcht. Sie war wie eine Kralle, die ihr Herz umklammert hielt.
Sie hatte das Grabmal des Baron of Gulbekian gefunden, ihr Ziel war damit erreicht. Sie konnte den Friedhof wieder verlassen und würde sich mit Jane Collins in Verbindung setzen, um mit ihr zusammen den Ort noch einmal aufzusuchen.
Je mehr sie darüber nachdachte, umso besser gefiel ihr dieser Gedanke, der Sekunden später allerdings durch ein kratzendes Geräusch ad absurdum geführt wurde.
Lady Sarah erstarrte.
Das Geräusch wiederholte sich.
Erst jetzt senkte sie den Blick.
Mit Entsetzen stellte sie fest, dass sich die schwere Grabplatte innerhalb der Fugen bewegte…
***
Der Weg zum Seniorenheim war nur einmal ausgeschildert, was auch ausgereichte. Wir waren durch die herbstliche Landschaft gefahren, durch eine letztendlich wunderschöne Natur, die sich auch dann nicht änderte, als wir den Park erreichten, in dem sich der mächtige Bau des Heims versteckte.
Jane Collins hatte darauf bestanden, mit ihrem Golf zu fahren, weil ich von dem einen Bier eine Fahne hatte. Ich hatte mich also auf den Beifahrersitz niedergelassen und konnte mich während der Fahrt ein wenig umschauen.
Der Park war groß und menschenleer. Keiner der Bewohner ging um diese Zeit noch spazieren. Wir rollten über die verlassenen Wege und hörten das Knirschen kleiner Steine unter den Reifen. Mein Blick war auf das hohe Gebäude gerichtet, das einen breiten Schatten warf, der den Rasen erreichte und über die allmählich dahinwelkenden Blumen fiel, die in kleinen Rabatten wuchsen.
Vor dem Haus stoppte Jane. Als sie sich losschnallte, drehte sie den Kopf nach links. »Na, was sagst du?«
»Am besten gar nichts.«
»Warum?«
Ich hob die Schultern. »Jubeln kann ich bei diesem Anblick nicht gerade. Wenn ich mal in den Jahren bin, möchte ich nicht hier wohnen. Das ist mir nicht nur zu abgelegen, sondern auch zu düster und irgendwie unheimlich.«
»Da können wir uns die Hand reichen.«
Wir stiegen aus und blieben in der frischen, kühlen Herbstluft zunächst einmal stehen.
Es erschien niemand, um uns in Empfang zu nehmen, aber damit hatten wir auch nicht gerechnet. Eine beklemmende Stille umfing uns. Es roch nach verbranntem Holz. Als ich den Kopf weit zurücklegte, sah ich über dem Dach die dünne Rauchfahne, die aus einem Schornstein stieg.
Jane war schon vorgegangen. Mit langen Schritten überwand sie die drei Stufen der breiten Treppe. Sie wollte nicht
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