0825 - Böse kleine Elena
eine Bombe. Alles ging blitzartig, die Ereignisse überschlugen sich, was mit Scotts wahnsinnigem Gelächter begann. Einen Augenblick später schon – er lachte noch immer – handelte er.
Mit seiner Waffe schlug er auf den Pfarrer ein.
Scott erwischte den Kopf des Geistlichen in Stirnhöhe. Im Lichtstrahl der Lampe schien sich der Pfarrer noch einmal gegen das Schicksal aufbäumen zu wollen, denn für einen winzigen Moment stand er auf den Zehenspitzen, dann sank er zusammen.
Gleichzeitig hatte er von Scott noch einen Stoß erhalten, sodass er der heraneilenden Elena entgegenfiel, die nicht mehr ausweichen konnte und deshalb stolperte.
Sie schrie – und fiel nach vorn.
Genau dort wartete ihr Vater.
Mit einem widerlich-hässlichen Lachen fing er die fallende Tochter auf, hielt sie fest, zerrte sie nach links und drückte ihr brutal den Waffenlauf unter das Kinn. Für mich sah es im ersten Moment so aus, als wäre die Mündung in Elenas Mund verschwunden.
»Stehen bleiben!« brüllte uns Scott an. »Bleibt stehen, ihr Hundesöhne! Keine Bewegung!«
Ab jetzt waren die Karten neu verteilt.
***
Harry Stahl konnte nicht an sich halten. Er knirschte zuerst mit den Zähnen, dann gab er seinen Kommentar. »Ich hätte ihm eine Kugel in den Schädel schießen sollen! Bei Gott, ich hätte es wirklich tun sollen. Es ist zu spät!«
»Halt du dein Maul, Stahl, sei nur ruhig. Jetzt bestimme ich!« Scott lachte schrill. Er stand unter Dampf. Sein Adrenalinspiegel hatte den oberen Rand erreicht, beim geringsten Anlass konnte er jetzt durchdrehen und uns alle zusammenschießen.
Auch Elena hatte trotz ihres Zustands begriffen, in welch einer Gefahr sie steckte. Sie konnte nichts tun, sie war diesem Mann – ihrem Vater – auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, wie schon einmal, als er sie verkauft hatte.
Ich sah Harry Stahl an, dass er kaum noch ruhig bleiben konnte. Deshalb warnte ich ihn. »Lass es sein, Harry! Es ist nicht unsere Minute. Warte es ab!«
Er entspannte sich etwas.
Ich ließ Scott nicht aus den Augen. Wie einen toten Stock hielt er seine Tochter umklammert, die sich nicht rühren konnte, weil der Griff zu hart war.
Bewegungslos ließ sich die junge Frau mitschleifen, als ihr Vater vorging.
Er stand dicht vor dem Ziel, denn die Tochter befand sich in seiner Gewalt, und der Kopf seiner Frau lag ebenfalls nur wenige Schritte von ihm entfernt.
Stück für Stück überwand er die Distanz zu uns. »Zurück!« keuchte er.
»Geht weit zurück! Und Sie, Stahl, richten den Kegel der Lampe zu Boden! Macht schon!« schrie er, als Harry nicht sofort gehorchte. »Ich erschieße sie, es macht mir nichts aus, das solltet ihr wissen.«
Ja, das nahmen wir ihm ab. Wut knirschend befolgte Harry Stahl den Befehl.
Scott war zufrieden. Er kicherte. »Ich habe Elena. Ich werde sie behalten. Keiner wird sie mir mehr wegnehmen. Wir beide werden noch viele Geschäfte machen.«
»Wollen Sie Ihre Tochter wieder verkaufen?« fragte ich rau flüsternd.
»Reicht es Ihnen nicht, was Sie dem Mädchen damals angetan haben, Scott?«
»Was weißt du denn schon?«
»Genug!«
»Sie ist bares Geld, die Kleine. Es ist meine Rache gewesen, weil mich Tabita so schmählich im Stich gelassen hat. Aber jetzt habe ich sie wieder, beide habe ich zurück. Ich bin besser dran als zuvor. Elena wird keinen Schutz mehr haben, der verdammte Zigeunerfluch wird nicht mehr wirken, denn ich werde beide Teile zerstören, den Kopf und den Körper. Ich werde mein Leben endlich so führen, wie ich es mir vorgestellt habe.«
»Sie hatten den Kopf Ihrer Frau?«
»Ja, den hatte ich.«
»Wieso?«
»Ich habe ihn mitgenommen…«
Allmählich ging mir ein Licht auf. Wenn auch noch klein, aber immerhin.
»Mitgenommen? Wie…«
»Hör doch auf zu fragen!« schrie er und spie dabei aus. »Das weißt du!«
»Nein, das wissen wir nicht!«
»Ich habe sie geköpft. Ich habe sie geholt. Sie hatte sich bei den Zigeunern versteckt. Sie war böse geworden. In ihr steckte ein Geist, in ihr steckte eine furchtbare Kraft, die ich nur löschen konnte, indem ich sie zerstörte. Sie wollte mir durch ihre Kraft die Tochter wieder nehmen, aber das konnte ich einfach nicht zulassen. Ich musste sie vernichten. Nur so«, er schnappte nach Luft, »nur so ging es mir besser.«
»Dann nahmen Sie den Schädel mit? Warum?«
»Ja, ich nahm ihn mit, weil ich ihn immer bei mir und unter meiner Kontrolle haben wollte. Ich habe den Körper zerstören können, aber nicht den Geist.
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