0828 - Der Henker des Herzogs
Schultern. »Du weißt viel, mein Freund, du weißt sogar sehr viel. Kannst du mir mehr erzählen?«
»Wenn du willst.«
»Ja.«
»Du bist befreit worden, du bist wieder in dein Reich zurückgekehrt, wo du hast kämpfen müssen, denn dein Bruder Johann hatte die Macht übernommen.«
Richard zog seine Hände zurück. »O ja«, knirschte er, »dieser machthungrige Mensch. Er war der Kopf der Verschwörung. Er ist derjenige, der alles daransetzt, meine Rückkehr zu verhindern. Aber ich weiß eines durch dich, und ich glaube dir. Ich werde wieder in meine Heimat zurückkehren. Und ich werde noch lange leben – oder?«
Ich hob die Schultern.
»Du weißt es nicht, nicht?«
»Was?«
»Dass ich noch lange oder nicht so lange zu leben habe. Wann bin ich gestorben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid, mein Freund, aber das werde ichdir nicht sagen. Du kannst mich vieles fragen, ich werde dir auch Antworten geben, aber keine, die deinen Tod betreffen. Das solltest du verstehen. Wenn ich dir das sagen würde, hättest du nicht so gehandelt, wie es die Geschichte dann gezeigt hat.«
Der König war enttäuscht. Zumindest für eine Weile, dann aber hob er die Schultern und nickte mir zu. »Ja, ich denke, dass du Recht hast, John Sinclair. Es ist wirklich besser, wenn ein Mensch seine Todesstunde nicht kennt.« Er lehnte sich gegen die Wand und richtete seinen Blick gegen die Decke, als wollte er durch sie hindurch in den Himmel schauen.
Es wurde still.
Allerdings nicht ganz, denn durch die Öffnung drangen Geräusche. Das Rauschen der Donau ebenso wie die Stimmen, und hin und wieder das helle Klappern von Pferdehufen.
Doch plötzlich änderte sich alles.
Jemand kam oder war schon da.
Nicht die Bewacher, mit denen wir gerechnet hätten, nein, das war ein Einzelner.
Genau unter der Fensteröffnung musste er sich befinden. Wir hörten die Klänge einer Klampfe, und einen Moment später sang jemand mit lauter Stimme die erste Strophe eines bestimmten Liedes.
Richard Löwenherz erstarrte beinahe in Ehrfurcht. Es gelang ihm kaum, ein Wort zu sagen.
Ich aber wusste, wer da erschienen war.
Der Sänger Blondel!
***
Aus dem Keller trat mit weiten und torkelnden Schritten eine Gestalt, deren Anblick den drei wartenden Personen tief unter die Haut fuhr. Sie war einfach schrecklich, sie hatte etwas Wildes, Animalisches an sich, sie war bewaffnet, und sie sah aus, als wäre sie einer anderen Zeit entsprungen.
Ein Ritter!
Wildes Blondhaar umwuchs seinen Kopf. Er trug ein Schwert in der rechten Hand, in der linken hielt er einen Totenkopf, und in seinem Gürtel steckte ein Stab, an dessen Ende sich eine schimmernde rote Kugel befand. Bea Quentin und die Conollys sahen die Wunden an seinem Körper, sie entdeckten auch die Kälte und Boshaftigkeit in den Augen. Beides grenzte schon an Mordlust.
»Wer ist das?« flüsterte Bill, der langsam zurückwich und die Frauen weiter nach hinten schob.
Bea antwortete erstickt, als befände sich in ihrer Kehle ein dicker Kloß. »Das ist Harold…«
»Wie?«
»Mein Mann!« kreischte sie.
Bill und Sheila konnten es nicht glauben, doch es blieb ihnen nichts anderes übrig. Welchen Grund sollte Bea haben, sie anzulügen? Es gab keinen.
»Es ist sein Gesicht, es sind seine Gesichtszüge. Aber warum ist er so verändert? Hat er sich verkleidet? Was ist überhaupt mit Harold geschehen, verdammt?«
»Nicht verkleidet«, sagte Bill. »Er hat nur das Gleiche getan wie Ihre Tochter. Er hat an der Blume gerochen. Er ist verwandelt worden. Er ist das, was – ich weiß es auch nicht.«
Harold Quentin hatte seinen Kellerraum verlassen. Drei Schritte vor der Tür war er stehen geblieben. Er schaute sich um, als wäre er in seinem eigenen Haus fremd, und er war bewaffnet. Dennoch sah es nicht aus, als wollte er die Waffen gegen seine Frau und die Conollys einsetzen. Harold fühlte sich verunsichert. Möglicherweise steckten zwei Seelen in seiner Brust, und er wusste nicht, für welche er sich entscheiden sollte.
»Was sollen wir denn tun?« fragte Bea. »Mit ihm sprechen?«
Bill hob die Schultern. »Ich weiß nicht, ob das irgendwelchen Sinn haben wird.«
»Meinen Sie?«
»Gehen Sie weg. Auch du, Sheila.«
»Was willst du mit ihm allein?«
»Ich will wissen, was er hinter sich hat. Warum er zu dem geworden ist. Es muss einfach mit der verdammten Blume zusammenhängen. Vielleicht wartet er nur darauf, angesprochen zu werden.«
»Glaubst du das?«
»Ich muss es versuchen,
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