0828 - Der Henker des Herzogs
einer Bewegung. Er zog die Goldene Pistole hervor, bevor er die Tür langsam aufzog…
***
Ich hatte selten einen Menschen erlebt, der derartig verzückt einer Melodie lauschte. Eigentlich nie, aber bei Richard Löwenherz war es verständlich, denn endlich, nach so langer Zeit, hatte ihn der Sänger Blondel gefunden.
Der König hatte den Kopf zurückgelegt. In seinen Augen entdeckte ich ein Strahlen, der Mund war zu einem breiten Lächeln verzogen, und er lauschte jedem einzelnen Wort.
Dann verstummte der Sänger.
Ende der ersten Strophe.
Neben mir holte Richard Löwenherz Luft. Und so laut er konnte, sang er die zweite Strophe des Liedes. Er schickte seinen Gesang gegen die Öffnung in der Wand, damit er von dem suchenden Blondel auch gehört werden konnte.
Ich ließ den König in Ruhe und freute mich für ihn mit, dass die Kette der Leiden durchbrochen wurde. Endlich konnte er wieder Hoffnung fassen, und ich stand ebenfalls wie unter Strom, denn durch meine Zeitreise erlebte ich die Geschichte live mit.
Oder war es Legende?
Viele glaubten daran, dass es den Sänger Blondel gar nicht gegeben hatte. Da war ich anderer Meinung. Es hatte das Lösegeld gegeben, es war also bezahlt worden, und ich dachte daran, dass der Sänger Blondel durchaus die Person gewesen sein konnte, die zwischen den verhärteten Fronten vermittelt hatte.
Der Gesang des Königs brach ab. Er hatte die zweite Strophe des Liedes bis zum letzten Ton gesungen, drehte sich jetzt um und schaute mich an, als wäre er der glücklichste Mensch der Welt. »Die Jahre der Knechtschaft nähern sich dem Ende, John Sinclair«, sprach er zu mir. »Sie sind vorbei, ich werde bald frei sein. Man hat mich gefunden, der Sänger Blondel hat seine weiten Reisen nicht umsonst zu machen brauchen. Jetzt wird alles wieder besser.«
Ich stimmte ihm durch ein Nicken zu. »Aber wie lange wird es wohl dauern, bis sich Blondel wieder meldet oder das Lösegeld zu deiner Befreiung zusammen hat?«
»Das wird er haben, denke ich.«
»Warum?«
»Er wird mit meinen Bewachern reden. Er wird dem Herrn dieser Burg schon sagen, dass er mit einer großen Summe rechnen kann. Ich kenne die Geld- und Goldgier dieser Barbaren hier. Es muss sich eben alles noch entwickeln.« Er wollte noch etwas sagen, aber ich legte einen Finger auf meine Lippen, denn ich hatte etwas gehört.
»König, mein König…«
Von draußen her war sie an unsere Ohren gedrungen. Beide wussten wir, dass der Sänger noch wartete.
»Ja, ich bin hier. Ich bin in diesem Verlies. Ich stecke in einem Kerker, aber ich habe dich gehört, Blondel!«
»Ich sehe die Öffnung, ich sehe sie genau!« erklang es wieder. »Ich habe den Weg endlich gefunden. Man hat mich geführt. Die Geister des großen König Artus und die Macht des Merlin haben mich auf diese Spur gebracht. Ich werde es dir beweisen, denn ich werde dir das geben, was mich auf deine Spur gebracht hat, mein König. Da…!«
Es dauerte einen Moment, bis der Gegenstand außen vor der Öffnung erschien. Nichts konnte seinen Flug aufhalten. Er kippte ab und trudelte in unseren Kerker.
Auch in diesem Fall gab es noch Dinge, die mich überraschen konnten. So wurde ich überrascht, als die mit einem Stein beschwerte blaue Rose in den Kerker fiel und in einer Reflexbewegung von Richard Löwenherz aufgefangen wurde.
»Ich habe sie, Blondel, ich habe sie. Und ich werde mich dafür bedanken.«
»Ich freue mich, mein König…«
Löwenherz drehte sich um. Er hielt den Stiel der Rose mit beiden Händen fest, obwohl ihn die Dornen stachen, aber das störte ihn nicht. Nicht in dieser Lage. Der König schwamm auf einer Welle der Euphorie, denn die langen Leiden waren in diesen Minuten vergessen. Für Löwenherz war es ein feierlicher Augenblick, und ich sah die Rose jetzt in dieser Zeit der Vergangenheit.
Ich hatte sie noch gut in Erinnerung behalten, schaute sie mir genau an und musste feststellen, dass es keinen Unterschied gab. Die Jahrhunderte hatten ihr nichts anhaben können. In meiner Zeit waren die gleiche Anzahl der Blütenblätter vorhanden gewesen. Diese blaue Rose schien für die Ewigkeit gewachsen zu sein.
»Du hast Recht gehabt, John. Ich habe an dir gezweifelt, dafür nimm meine Entschuldigung an.«
Ich winkte ab. »Das macht nichts. Ich freue mich dass einige Dinge so eingetroffen sind, wie ich sie mir vorgestellt habe, aber ich muss jetzt damit beginnen, an mich zu denken.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich möchte wieder zurück in
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