0828 - Der Henker des Herzogs
haben, sie untersuchen und rauben jeden aus, den sie ins Verlies werfen.«
»Das ist zwar richtig, aber nur aus deiner Sicht. Mir gehört das Kreuz, und man hat mich auch nicht in dieses Verlies geworfen. Ich bin freiwillig gekommen.«
Richard Löwenherz dachte nach. Er bewegte dabei nickend seinen Kopf. »Dir gehört das Kreuz?«
»Ja.«
»Wer hat es dir gegeben?«
Ich hob die Schultern, denn nun war ich an eine Grenze herangetreten. Ich wusste nicht, wie ich Löwenherz erklären sollte, wie das Kreuz in meinen Besitz gelangt war. Natürlich konnte ich ihm einiges erzählen, er würde es nicht begreifen, deshalb musste ich versuchen, eine Vertrauensbasis zu schaffen.
»Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich nicht dein Feind bin und diejenigen, die dich hier gefangen halten, gar nicht wissen, dass ich überhaupt hier bin.«
»Wie kamst du denn her?« Der König staunte. Er rückte instinktiv von mir ab, als wollte er mit mir nichts zu tun haben.
»Durch ein kleines Wunder, möchteich mal sagen. Ich kann es auch Magie nennen.«
»Bist du ein Magier? Ein Zauberer, einer, der die Künste der Druiden beherrscht?«
»Nein, kein Magier in deinem Sinne, obwohl ich mich auskenne. Aber du wolltest wissen, wie ich zu dir in die Zelle gelangte?«
»Ja.«
»Durch die Blume, die blaue Blume, die geheimnisvolle blaue Rose. Sie hat mich hergeschafft, durch ihre Kraft bin ich zu dir in die Zelle gelangt. Ich habe eine magische Reise unternommen, denn ich komme aus einer anderen, für dich fernen Zeit.« Jetzt war es heraus, und ich war gespannt, wie der König reagierte.
Zunächst geschah nichts. Er hob die Schultern, dann sagte er mit leiser Stimme: »Ich weiß, dass es viele Geheimnisse in dieser Welt gibt. Keiner kennt sie alle, sie sind einfach da. Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann, doch wenn ich dich so anschaue, dann ist alles anders. Wo ist deine Rüstung? Wo hast du dein Pferd? Wo befindet sich dein Helm oder deine Kappe?«
»Das gibt es in meiner Zeit nicht mehr. Es hat sich so vieles geändert, denn es sind Hunderte von Jahren vergangen. Ich lebe dicht vor der neuen Jahrtausendwende.«
»Aha.«
Er glaubte mir nicht. Er konnte mir auch nicht glauben, denn so etwas zu hören, wäre mit den Berichten von Wesen vergleichbar gewesen, die aus der fernen Zukunft in meine Zeit gereist wären. Da hätte auch ich mich nur wundern können.
»Hast du noch weitere Fragen, Richard?«
»Viele. Aber ich werde sie nicht stellen, denn sie sind nur für mich persönlich wichtig. Einige aber gehen mir trotzdem nicht aus dem Kopf, das sage ich dir.«
»Gut, ich höre.«
»Es ist doch mein Kreuz. Es gibt es kein zweites Mal.«
Ich nickte. »Ja, es ist dein Kreuz.« Ich sah ihn aufatmen und sprach schnell weiter. »Was ich dir gleich sagen werde, das musst du mir einfach glauben, denn ich schwöre dir, dass ich dich nicht belügen werde, auch wenn es für dich unglaublich klingen mag. Es ist also dein Kreuz, und ich bin so etwas wie sein Erbe. Es ist nicht verloren gegangen, es hat seinen Weg durch die Jahrhunderte gefunden und meistens den richtigen Besitzer gehabt. Eigentlich fast nur einen, denn die Besitzer sind immer in denjenigen wiedergeboren, die das Kreuz einmal besessen haben. So ist es durchaus möglich, dass ich du war. Du bist nur in mir wiedergeboren , es gab also so etwas wie eine Seelenwanderung, wenn dir dieser Begriff besser gefällt.«
Löwenherz stieß die Luft aus, und ich roch seinen säuerlichen Atem. Erst schwieg er, dann fragte er mit leiser Stimme nach der blauen Blume.
»Das will ich dir auch erklären. Sie stand auf dieser Feste. Das ist doch hier Dürnstein – oder?«
»Ja.«
»Also gut. Hier habe ich die Blume gesehen. Aber die Festung sah nicht mehr so aus wie heute. Sie wurde zerstört, es stehen in meiner Zeit nur die Ruinen. Ich sah die blaue Rose, ichspürte ihre Magie, und ich ging hin, um ihren Duft einzuatmen. Sie aber öffnete mir einen Zeittunnel und brachte mich zu dir. Das ist es, was ich dir sagen wollte, es ist die Wahrheit.«
Der König schwieg. Er schaute nach vorn, aber da war nichts zu sehen. Dann runzelte er die Stirn, stand auf und ging mit müden Schritten über den rauen und schmutzigen Steinboden, bis er den Ort erreicht hatte, wo das Licht einfiel.
Dort wartete er dann, schaute noch zur Öffnung in der Mauer und breitete die Arme aus. »Die blaue Blume«, sagte er. »Ich habe von ihr gehört, ich kenne sie. Die blaue Blume der Rettung. Man spricht
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