0828 - Der Henker des Herzogs
den Schrei, die blitzschnelle Kopfbewegung des Henkers sah er nicht. Stirn traf auf Stirn. Bill hatte das Gefühl, in das All katapultiert zu werden, er sah Sterne, dann riss ihn die Dunkelheit in die Tiefen der Bewusstlosigkeit. Erprallte noch gegen ein Regal, die Gläser schepperten gegeneinander, und leblos sackte er zu Boden.
Goddem aber erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung. Und ebenso geschmeidig hob er sein mächtiges Schwert an. »Ich bin der Henker«, sagte er und ging auf die beiden Frauen zu…
***
Obwohl auch Richard Löwenherz dicht neben mir stand, hatte der Henker nur Augen für mich. Er starrte mich mit einem Ausdruck in den Augen an, als wäre ich schon jetzt tot, und viele Chancen blieben mir tatsächlich nicht.
»Der will mich«, sagte ich.
Löwenherz nickte. »Er ist überrascht. Er weiß nicht, wie er dich einschätzen soll.«
»Hat es Sinn, ihn zu fragen?«
»Nein. Er wird handeln. Wenn er nicht weiß, was läuft, dann tötet er sofort.«
Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich suchte nach einem Ausweg aus dieser noch nicht direkt bedrohlichen Lage. Gut, ich hätte die Beretta ziehen und ihm ein Loch in die Stirn schießen können, das war eine Möglichkeit, gleichzeitig aber war ich neugierig, wurde zudem nicht direkt bedroht, und ich bin auch kein schießwütiger Teufel, der die Probleme mit einer Kugel aus der Welt schafft.
Nicht nur ich war durcheinander, der Henker ebenfalls. Seine Augen bewegten sich. Da das Licht aus dem Gang in unseren Kerker fiel, konnte ich sein Gesicht einigermaßen gut erkennen. Erhatte helle Augen und lange blonde Haare und wirkte überhaupt nicht wie ein Henker, wie er in alten Ritterfilmen oft gezeigt wird. Da fehlte die Kapuze, da fehlte auch das Richtbeil. Er verließ sich auf sein Schwert, und das erkannte ich sofort wieder.
Ich hatte es gesehen, als ich in die Rosen eingetaucht war. Es war die Bedrohung gewesen, es hatte über mir geschwebt und hätte mich durchbohren können. Ich war dem Henker also schon einmal in die Quere gekommen, möglicherweise im Strom der Zeiten, in einer harten Klammer zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit.
Goddem fing sich wieder. Er vollführte mit der schwertfreien Hand eine barsche Bewegung. Es war ein Befehl, der allerdings nicht den Soldaten im Keller galt, sondern denen, die draußen standen.
Zu viert stürmten sie herein. Sie trugen Brustpanzer, auch Helme, deren Visiere hochgeklappt waren. In ihren Augen stand ein gefährliches Funkeln, und ich stellte wieder einmal fest, dass die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten kleiner gewesen waren als zu meiner Zeit. Dennoch nicht weniger gefährlich und auch bestimmt nicht rücksichtsvoller.
Zwei stürzten sich auf mich, die beiden anderen kümmerten sich um den König. Sie griffen sehr hart zu und schaffen es, mich zu Boden zu zwingen. Ich wehrte mich auch nicht und schaute aus meiner geduckten Haltung zu, wie Richard Löwenherz weggeschleift wurde. Es gelang ihm noch, den Kopf zu drehen und mir einen beschwörenden Blick zuzuwerfen, dann trat ihm jemand in den Rücken, und er stolperte über die Schwelle in den Gang. So ging man damals mit einem König um, zumindest mit einem gefangenen.
Ich blieb zurück.
Mit beiden Knien berührte ich den Boden. Den Kopf hielt ich gesenkt, dann schielte ich nach vorn und entdeckte den Schatten des Mannes, der sich auf mich zubewegte.
Es war der Henker, der vor mir stehen blieb, sich bückte und den Arm ausstreckte. Wenig später spürte ich seine Hand in meinem Haar, und er zerrte fest daran.
Ich kam ihm entgegen, hielt dabei die Lippen geschlossen und hob den Kopf an. Die beiden Soldaten ließen mich los. Dafür setzten sie sich auf meine Waden, was verflucht schmerzte, denn ihre Rüstungen hatten schon Gewicht.
Der Henker schaute mir ins Gesicht. Er verzog seinen breiten Mund. Die Augen zuckten. Ich wusste nicht, welche Gedanken durch seinen Kopf tobten, konnte mir aber vorstellen, dass er sich mit gewissen Tatsachen nicht zurechtfand.
»Wo kommst du her?«
»Aus dem Himmel!«
Er fluchte, holte aus und trat nach meinem Gesicht. Ich drehte mich zur Seite, das Knie erwischte meine Schulter, aber ich fiel nicht zu Boden, da mich das Gewicht der beiden Hundesöhne auf den Waden hielt.
Goddem trat zurück. »Ich weiß nicht, wer du bist, aber du gehörst nicht hierher, deshalb werde ich dich töten.«
»Ich gehöre zum König!«
»Auch ihn werde ich töten, wenn das Lösegeld nicht überbracht wird. Wir geben
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