0829 - Der Alpen-Teufel
mitzuhelfen, das alles war nun endgültig vorbei.
Er wollte gerade heimgehen, da hörte er das Geräusch!
Aber keine Stimme, die dem seltsamen Laut folgte.
Vergessen waren die Tränen und die Trauer. Wut peitschte in ihm hoch. Sollte sich schon wieder einer der verfluchten Zeitungsleute auf dem Friedhof versteckt haben?
Wenn ihn jetzt einer durch ein Nachtglas beobachtete und sich an seiner Trauer geweidet hatte, würde er diesen Kerl in eines der frischen Gräber stampfen.
Nur konnte er niemand entdecken. Aber das Geräusch wiederholte sich. Ein scharfes Atmen oder Zischen, gar nicht mal weit von Annas Grab entfernt.
Das war kein Reporter. Diese Typen hielten sich nicht nur versteckt, sie waren einfach zu neugierig, sie gierten nach jeder Information. Da hätte einer Grund genug haben können, mit ihm über die Gründe zu sprechen, weshalb er sich am Grab aufhielt.
Er ging etwas zurück.
Gerade noch hatte er getrauert. Von nun an durchzog ihn ein anderes Gefühl.
Angst!
Rogner duckte sich, als wollte er sich bewußt kleiner machen. Er blickte zuerst nach links, dann nach rechts, schaute aber nur über die Gräber hinweg.
Danach drehte er sich.
Diesmal fiel sein Blick gegen die Breitseite der Kirchenmauer. Einige Grabreihen trennten ihn und das Gebäude. Der Schatten war dunkel, schwarz wie Teer, aber in der Schwärze zeichnete sich doch ein Umriß ab. Noch dunkler, wobei sich die Dunkelheit nicht auf seinen gesamten Körper beschränkte, sondern das Gesicht freiließ. Er malte sich als hellerer Fleck ab.
Ein Gesicht?
Weit hatte Bert Rogner die Augen aufgerissen. Er wollte nicht wahrhaben, hier ein Gesicht vor sich zu sehen. Nein, das… das war kein Gesicht, es glich mehr einer schrecklichen Fratze. Sie hatte nicht nur menschliche Umrisse, sondern auch einen leicht tierischen Ausdruck, und die struppigen Haare waren so gekämmt, als stünden sie rechts und links der Stirn als Hörner ab.
Es gab für Rogner keinen Zweifel.
Er wußte, wer vor ihm stand.
Der Alpen-Teufel!
***
Wir hatten das Hotel verlassen, in dem es doch ziemlich warm gewesen war.
Deshalb tat es uns gut, die frische Nachtluft in die Lungen zu saugen. Vor dem Eingang blieben wir stehen und schauten den Weg hinab, der zum Zentrum des Dorfs führte.
Es brannten nur wenige Laternen im Freien. Ihr Licht wirkte blaß und gespenstisch in einer kalten Luft, die bereits nach Schnee roch. Nur die erleuchteten Fenster hätten eigentlich einen gemütlichen Schein abgeben müssen, was sicherlich auch der Fall war, allerdings spürten wir es an diesem Abend anders.
Über dem Dorf lag ein Schatten, der nichts mit der Dunkelheit zu tun hatten. Dieser Schatten war auch nicht zu sehen. Man mußte schon sehr sensibel sein, um ihn zu fühlen, und diese Sensibilität hatten wir im Laufe der Zeit erreicht.
Suko runzelte die Stirn, als er mich anschaute. »Hast du was?« fragte ich ihn.
»Nicht genau, aber da ist was.«
»Wo?«
Er hob die Schultern und deutete nach vorn. »Ich kann es dir nicht sagen, aber dieser Ort scheint unter dem Gespenst der Angst zu liegen, denke ich.«
»Stimmt, ich spüre es auch. Die Menschen leiden. Jeder rechnet doch damit, als nächster ein Opfer des wahnsinnigen Killers zu werden. Das bleibt nicht ohne Folgen.«
Unten, wo die Hauptstraße am Dorf vorbeiführte und sich auch die Parkplätze für die Reisebusse befanden, drehten sich vier Lichter dem Eingang des Ortes entgegen. Zwei Autos fuhren hoch, durchrollten die Kurven, und der blasse Schein ihrer kalten Augen streifte auch bald über die Hotelfassade hinweg.
Wir hatten uns in den Schatten zurückgezogen und schauten zu, wie die Wagen vorbeifuhren. Wir konnten das hintere Nummernschild des ersten Fahrzeugs erkennen und stellten fest, daß die Wagen aus der Salzburger Ecke kamen.
»Das sind bestimmt Reporter«, murmelte Suko.
Die Heckleuchten glühten dort auf, wo sich die Häuser mit den Ferienwohnungen befanden. Sie lagen ziemlich weit entfernt. Dennoch hörten wir in der Stille das harte Zuschlagen der Autotüren.
Suko atmete aus. »Was machen wir jetzt, alter Junge?«
»Wir gehen spazieren.«
»Wo?«
»Um die Kirche herum?«
»Du meinst den Friedhof?«
»Ja.«
»Hat das einen besonderen Grund?«
»Nein, irgendwo müssen wir nun anfangen. Kann ja sein, daß wir Glück haben und uns der Killer über den Weg läuft. Irgendwo halte ich alles für möglich.«
»Okay, drehen wir unsere Runde, Marshall.«
»Sind wir im Wilden Westen?«
»Höchstens im
Weitere Kostenlose Bücher