0829 - Der Alpen-Teufel
parat. Bert hatte sein Geschäft bereits auf den Winter umgerüstet.
Anfang Dezember, wenn die Vorweihnachtszeit anfing, würde er den Laden wieder öffnen, doch weihnachtliche Gefühle würde niemand in diesem Jahr in Alpbach haben. Dafür würde sich die Angst vor dem Mörder ausbreiten, vor der unbekannten Person, die Alpen-Teufel genannt wurde.
Bevor er die Tür aufschloß, warf er einen Blick in den Spiegel. Er sah einen Mann, dessen Haar im Laufe der Zeit grau geworden war. Noch wuchs es dicht auf seinem Kopf und paßte gut zu seinem wettergegerbten Gesicht mit den blaugrauen Augen und dem wuchtigen Kinn. Bert Rogner war das, was man ein Mannsbild nannte, aber darauf pfiff er, denn auch Mannsbilder können und dürfen Angst haben.
Er mußte um sein Haus herumgehen, um die normale Straße zu erreichen. Für einen Moment blieb er unschlüssig vor den dunklen Schaufensterscheiben seines Ladens stehen. Er blickte nach vorn, wo die Kirche und der Friedhof etwas erhöht lagen. Wenn er nach rechts und links schaute, so sah er an der linken Seite die zahlreichen Lichtflecken, die aus den Fenstern der Häuser fielen. Dort im Kern lebten die meisten Bewohner, während die Ränder des Ortes nur mehr von den neueren Häusern bebaut waren. Diese Wohnungen wurden an Feriengäste vermietet.
Wie ein schwarzer Fleck lag der Tennisplatz am Ende des Dorfes. In diese Richtung ging er nicht, Bert Rogner wollte dem Friedhof einen Besuch abstatten, und das aus verschiedenen Gründen.
Zunächst wollte er von einer Person noch einmal und allein Abschied nehmen, die ihm nahegestanden hatte. Er hatte auch noch einen zweiten Grund, denn ihm ging der Name nicht aus dem Kopf, den Anna kurz vor ihrem Tod gerufen hatte.
Paul…
Wer war Paul?
Es gab einen Paul, einen, den eigentlich jeder kannte, der aber längst vergessen worden war, weil er nicht mehr lebte. Sein Grab befand sich ebenfalls auf dem Friedhof, aber in einer Ecke, in die sich kaum ein Einheimischer verirrte. Es war besser, wenn man diesen Paul vergaß, zu Lebzeiten hatte er zuviel Unglück gebracht.
War das die Person, die Anna gemeint hatte?
Bert konnte es sich nicht vorstellen. Wer tot war, der blieb auch tot, der kroch nicht mehr als Zombie aus dem Grab und brachte Menschen um. Das gab es nicht, nur in den Horror-Filmen, die er früher gesehen hatte. In der Wirklichkeit konnte so etwas nicht passieren, das war unmöglich.
Trotzdem schauderte Bert Rogner, als er die Treppe hochstieg, die zur Kirche und dem Friedhof führte. Beide bildeten eine Oase der Finsternis, in der sich nur der graue Schatten der Kirche abhob wie ein schützendes Bauwerk.
Bisher hatte sich Bert Rogner im Schatten der Kirche immer wohl gefühlt, das allerdings hatte sich in der letzten Zeit geändert, seit die frischen Gräber ausgehoben worden waren.
Für ihn war der kleine Friedhof nicht nur ein Ort des Todes, sondern auch des Grauens und der eisigen Kälte, die nicht vom Nachtwind herrührte, sondern aus den tiefen Gräbern zu fließen schien, als hätte der Leibhaftige die Arme nach den Menschen ausgestreckt.
Das kleine Tor war zu aber nicht abgeschlossen. Bert drückte es auf und lauschte dem leisen Knarren der Angeln. Kein Nebel wehte durch die Nacht, der Himmel zeigte sich in einer herrlichen Sternenpracht, und auch der Mond war klar zu sehen.
Eigentlich hätte Bert trauern müssen, denn Anna hatte ihm viel bedeutet. Daß er es nicht tat - zumindest jetzt nicht - und mit anderen Gefühlen den Friedhof betrat, lag daran, daß sich viele Hyänen hier im Ort eingenistet hatten. Reporter, die Sensationen witterten und deshalb auch in der Nacht unterwegs waren! Rogner glaubte daran, daß sich einige von ihnen auf dem Friedhof versteckt hielten, um ihre Fotos zu schießen.
Sollte er einen dieser Geier erwischen, würde es diesem Kerl verdammt schlecht ergehen.
Er blieb stehen und schaute sich um. Durch die sternenklare Nacht hatte er eine gute Sicht bekommen. Nur dort, wo die Kirche ihren Schatten warf, war es dunkler. Ansonsten konnte er beinahe jedes Grab erkennen, zumindest die Kreuze und Steine, die anzeigten, wo die Toten in der kalten Erde begraben lagen.
Es war ein Friedhof, der zu Alpbach paßte. Sehr sauber und gepflegt. Es gab kaum ein Grab, das nicht mit frischen Blumen geschmückt war. Man konnte es sich einfach nicht leisten, die Gräber verkommen zu lassen. Hier lebte man in einer Gemeinschaft und nicht in der anonymen Großstadt.
Rogner ging weiter.
Er hatte den
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