0829 - Der Alpen-Teufel
weit.«
Suko hob die Schultern. »Es muß ja nicht nur eine Person sein, die auf der Seite der Bestie steht.«
»Herbert Brandner?«
»Zum Beispiel.«
»Ist eine Möglichkeit«, gab ich zu. »Nur sollten wir uns darin nicht verzetteln.«
»Sag nur nicht, daß das ganze Dorf hinter der Bestie steht!«
»Ich weiß überhaupt nichts mehr.« Wütend nahm ich eine Socke und warf sie wieder zu Boden.
»Doch, ich weiß etwas, ich habe kalte Füße bekommen.«
»Lieber du als ich.«
»Mit deinem Kopf möchte ich auch nicht tauschen.« Ich stand auf. »Was sagt dir dein Gefühl, Suko? Wird er in dieser Nacht noch hier erscheinen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Suko runzelte die Stirn. »Dieser Fehlschlag wird ihm gereicht haben, aber morgen ist auch noch ein Tag.«
»Du sagst es«, faßte ich mich kurz, hob die Schuhe auf und schlich zurück in mein Zimmer.
Später, als ich nach einer heißen Dusche im Bett lag, träumte ich von wilden Bestien, die mich eingekreist hatten und mich stückweise zerrissen, um die Brocken anschließend anderen Raubtieren zum Fraß vorzuwerfen…
***
Bert Rogner saß am Tisch. Seine Mutter stand neben ihm und hielt ihn umarmt. Das gedämpfte Licht der Deckenlampe hüllte beide ein wie ein Schleier. Der Sohn sah nicht, daß seine Mutter weinte. Sie tat es nicht ohne Grund, denn er hatte ihr von seiner Begegnung mit dem Alpen-Teufel berichtet, und sie konnte auch jetzt kaum fassen, daß er noch lebte. Immer wieder mußte sie über sein Haar streicheln, um das Gefühl zu haben, daß er noch vorhanden war. Dabei murmelte sie Worte, die wie ein Gebet klangen, und der Begriff Gott kam auch oft genug vor.
Irgendwann drückte Bert seine Mutter zurück und stand auf.
»Wo willst du hin?«
»In mein Zimmer.«
»Läßt du mich allein?«
»Nur ein paar Minuten. Ich muß über etwas nachdenken.«
»Gut, ich bereite dann einiges vor.«
Er war schon an der Tür, blieb dort aber stehen und schaute sich um. »Was willst du denn jetzt vorbereiten?«
»Du wirst schon sehen. Der Abend ist lang, und die Nacht wird noch länger werden.«
Bert hob die Schulter und zog sich zurück. Er ging die enge Stiege in den ersten Stock hoch, wo sein Zimmer lag. Auch das Elternschlafzimmer befand sich dort, aber seine Mutter benutzte es schon längst nicht mehr. Ihr war es einfach zu mühselig, die Stufen zu steigen, und das mit über achtzig Jahren.
Sie blieb lieber unten und hatte ihr Bett in der guten Stube aufgestellt, die an die Küche grenzte.
Der Ofen strahle eine behagliche Wärme aus, aber darum kümmerte sich Maria Rogner nicht. Sie hatte anderes zu tun, stand vor der Truhe in der guten Stube und klappte ziemlich mühsam den Deckel hoch. In der Truhe lagen einige Gegenstände, auf die sie nicht verzichten wollte. Sie hatte sie von ihren Eltern geerbt, und die wiederum hatten sie von ihren Eltern übernommen.
»Jetzt werden wir uns schützen«, sagte die alte Frau. »Nie habe ich sie gebraucht, doch von heute an ist alles anders.« Sie nickte sich selbst zu und griff noch einmal in die Truhe hinein, um das alte Eisenkreuz hervorzuholen.
Ihr Sohn hatte sein Zimmer längst erreicht. Es war ein dunkler Raum mit einer ziemlich niedrigen Decke. Wenn er sich aufrichtete, streiften seine Haare über die Decke hinweg, und sicherheitshalber ging er gebückt. Natürlich war er nervös, natürlich hatte er Furcht vor der Zukunft, weil er damit rechnete, daß der Alpen-Teufel noch einmal zuschlagen würde, zum sechstenmal.
Was sollte er tun?
Den beiden Fremden konnte er dankbar sein, sie hatten ihm das Leben gerettet, aber sie konnten nicht immer in seiner Nähe sein. Viel öfter war er allein, vor allen Dingen in den folgenden Stunden. Wenn er dabei an seine Mutter dachte, fiel ihm sofort wieder ein, daß sie ebenfalls auf der Todesliste stand. Er machte sich große Sorgen.
Er bückte sich und öffnete die untere Tür einer Kommode. Der Selbstgebrannte stand dort in einer großen Flasche. Es war ein Pflaumenschnaps, und die Flasche hatte er mit einem alten Korken verschlossen. Er zerrte ihn aus der Öffnung, setzte die Flasche an und nahm einen kräftigen Schluck, der durch seine Kehle rann und sich in seinem Magen ausbreitete wie ein wahrer Feuersturm.
Es tat ihm gut, und er nahm auch den nächsten Schluck. Es war egal, ob er schwankend die Treppe hinabging, denn dieses Elend wollte er nur im Suff ertragen.
Wieder setzte er die Flasche ab und schüttelte sich. Dann drückte er den Korken auf die
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