083 - Das Ende der Unschuld
Woiin’metcha.«
»Ich weiß«, sagte Bulba’han. »Bringen wir’s hinter uns…«
***
Sie standen in der Mitte der Eingangshalle der Festung, ein paar Schritte vom Kristall entfernt. Immerhin weit genug, um bei Dave McKenzie den Eindruck zu erwecken, sie würden die unmittelbare Nähe des mysteriösen Kristalls scheuen. Etwa die Nähe, die nötig ist, um für eine Berührung nur den Arm ein wenig ausstrecken zu müssen.
Wenn Menschen sich in einem Klinikzimmer von einem Toten verabschiedeten, standen sie häufig in ähnlicher Entfernung vom Sterbebett. Jedenfalls hatte Dave das vor einem halben Jahrtausend beobachtet, als es noch Kliniken gab.
Nicht so nah, dass eine Berührung möglich wäre, und nicht so weit, dass man den Anschein von Gleichgültigkeit vermittelte.
Daran musste Dave denken, als er Rulfan, Aruula und Quart’ol vom Eingang der Halle aus beobachtete. Sie hatten ihn nicht kommen hören, so versunken waren sie in den Anblick des einen Meter langen, überdimensionalen Tannenzapfens mit der grünlichen, wabenartigen Oberfläche.
Irgendwie war ja auch etwas dran an seinem Eindruck vom Sterbezimmer. Ein Abschied war in der Tat angesagt: Endlich weg von diesem kalten, skurrilen Bauwerk aus Trümmern; und der Kristall - oder das, was da in seinem Inneren fähig war, sich Bilder vorzustellen -schien tatsächlich tot zu sein.
Oder?
Groß und wuchtig lag er in der von der Mittagssonne durchfluteten Halle. Als wäre er aus der Decke gefallen. Was, wenn man ihn einfach zerschlagen würde, um zu sehen, was er enthielt? Oder sprengen? Oder so lange mit einem Lasergewehr beschießen, bis er platzte?
Eigentlich war Dave gekommen, um die drei Gefährten zu holen. Gepäck und Proviant waren verstaut, der Expeditionspanzer stand zur Abfahrt bereit. Aber die Drei schienen so versunken in den Anblick des Kristalls, dass er nicht wagte, sie zu stören. Sollten sie ruhig noch ein wenig Abschied nehmen. Abschied von der Festung, Abschied von einem ungeborenen Kind, Abschied von Mer’ol. Und von diesem Riesenkristall.
Irgendwie hängt das alles zusammen, Mickey, oder?
»Wenn das Ding da ein Lebewesen ist…«, Aruula streckte Arm und Zeigefinger nach dem Kristall aus, »… oder wenn es ein Lebewesen war, dann haben die Kristalle mein Kind auf dem Gewissen!«
Verblüfft runzelte Dave die Stirn. Es klang wie eine Anklage, und es platzte so unvermittelt aus ihr heraus.
»Nicht doch, Aruula.« Rulfan legte den Arm um ihre Schulter.
Sie schien ihn überhaupt nicht zu hören. »Wenn es Lebewesen sind, dann haben sie auch Mer’ol auf dem Gewissen!« Ihre Stimme hallte von den zerkanteten Strukturen der Hallenwände zurück. »Hörst du, was ich sage, Quart’ol?« Immer lauter sprach sie. »Sie haben mein Kind und deinen Gefährten auf dem Gewissen!«
Quart’ol hob den Kopf, blickte zu ihr hoch und nickte.
»Das ist doch Unsinn, Aruula, beruhige dich.« Rulfan wollte sie enger an sich ziehen, doch sie machte sich von ihm los.
»Ich hasse sie!«, rief sie. »Ich hasse sie!« Plötzlich riss sie ihr Schwert aus der Rückenkralle. Drei lange Schritte und sie stand breitbeinig vor dem Kristall. »Ich hasse euch!« Sie holte aus und schlug zu. Funkenschlag spritzte in alle Richtungen. Es hörte sich an, als würde ein Beil auf Granit treffen.
Rulfan lief zu ihr, fasste sie von hinten, zog sie weg vom Kristall. »Lass das, es ist sinnlos.«
Aruula ließ ihr Schwert fallen, fuhr herum und warf sich an Rulfans Schulter. »Ich hasse sie, ich…« Ihre Stimme versagte.
Sie weinte, und er streichelte ihr zärtlich über Lockenmähne und Rücken.
Quart’ol wandte sich ab. Mit gesenktem Kopf schlurfte er an Dave vorbei. Sein Schädelflossenkamm pendelte bei jedem Schritt schlaff hin und her.
»Wo bleibt ihr?!« Matts Stimme. Er kam über den Vorplatz und blieb neben Dave im Eingang stehen. »Wir sind…« Was immer er noch sagen wollte, Matt schluckte es herunter.
Seine und Rulfans Blicke trafen sich. Zwei, drei Atemzüge lang sahen die Männer sich an.
Freunde schauen sich irgendwie anders in die Augen, dachte Dave. Und er sagte: »Es ist wegen des Kindes, Matt. Sie glaubt, der Kristall sei Schuld.«
Matt nickte nur, ging dann zu seiner Geliebten und berührte ihre Schulter. »Aruula?«
Aus tränennassen Augen blickte sie ihn an. Schließlich löste sie sich von Rulfan, schlang die Arme um Matts Nacken und weinte laut an seiner Brust.
Seite an Seite mit Rulfan folgte Dave später dem Commander und seiner
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