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083 - Das Ende der Unschuld

083 - Das Ende der Unschuld

Titel: 083 - Das Ende der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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auszuweichen, stand Taqua’floydan, ganz allein, machte große Augen und biss sich auf die Unterlippe. Und hinter Bulba’han trommelte der Schlegel auf die schwebende Trommel.
    »Musst du nicht mit mir kämpfen?!«, gackerte Mur’gash von oben herab. »Gebietet es nicht das eherne Gesetz der Woiin’metcha?! Geil oder nicht, Bulba’han, du musst! Ich hab dich herausgefordert!«
    Schmerz stachelte Bulba’hans Wut an, ein Schmerz, der ihn fast zerriss - sein getroffener Stolz. Besonnenheit und Gleichmut, sagte die Stimme seines Lehrers in seinem Kopf.
    Nur wer sich selbst beherrscht, ist stark…
    Bulba’han riss sein Schwert aus der Scheide, wirbelte herum, holte aus und zerschlug die Trommel. Zurück in die Scheide mit der Klinge, hinein in die Klippenwand, und hinauf!
    Feuerzungen flammten auf, leckten über die graue Haut seiner knochigen Hände. Hinauf! Hinauf!
    »Wie eifrig!«, höhnte der berauschte Echsenmann über ihm.
    »Er gibt sich Mühe! Seht nur, er gibt sich wenigstens Mühe!«
    »Töte ihn!«, krähte Taqua’floydan. »Stopf ihm für immer das Maul!«
    Bulba’han achtete nicht auf Flammen und Schmerz. Höher und höher schob er sich. Auch von fern aus der Menge der Narod’kratow und Rriba’low erhoben sich einzelne Stimmen:
    »Tod dem Sklaven! Spalte ihm den Schädel! Nieder mit Mur’gash!«
    Die Hände und Füße des jungen Schwertkriegers fanden Halt in der Steilwand. Auf nichts anderes konzentrierte sich Bulba’han, missachtete Flammen und Schmerz. Schon drei Schwertlängen über der Düne hing er im Fels.
    »Ho, ho!« Mur’gash kreischte, schlug sich auf die nackten Schuppenschenkel. »Wie eifrig, wie tapfer, wie erzhart!« Seine Rechte stach mit dem Roststab in die Luft, als wollte er den Wolken, ja der Sonne gebieten.
    Kleine Steine rieselten auf Bulba’han herab. Er blickte hinauf. Größere Steine kamen ihm entgegen, hüpften über die schroffe Wand. Einige rauschten an ihm vorbei, andere trafen ihn. Mehr und mehr Geröll stürzte dem Schwertkrieger entgegen, und das Rumpeln übertönte Mur’gashs Gackern.
    Ein großer Stein prallte schmerzhaft auf Bulba’hans hornige Schädelplatte. Seine Finger ließen los, er scheuerte ein Stück über die Klippe. Geistesgegenwärtig stieß er sich mit den Füßen ab, prallte rücklings in den Sand, rollte ein Stück die Düne hinab. Auf dem Bauch blieb er liegen. Tränen stiegen ihm in die Augen, Tränen der Wut.
    »Hat nicht geklappt, was, Bluterdensieger?!«, höhnte Mur’gash. »Oh, wie schade, wie schade! Wenn Tata’ya dich jetzt sähe, ihr Schoß würde sich für immer verschließen! Komm, steh auf, versuch es noch einmal…!« Bulba’hans Rechte ertastete einen Stein im Sand, nicht ganz so groß wie die der Kopf eines Neugeborenen.
    »Bulba’han!«, krähte Taqua’floydan. »Steh auf, Bulba’han! Mach ihn fertig!«
    Der Schwertkrieger packte den Stein.
    »Bulba’han! Bulba’han!«, tönte es vom Strand. »Nieder mit dem Sklaven! Steh auf, Bulba’han! Steh auf und mach ihn fertig!«
    »Wenn er es nur könnte!«, triumphierte der wahnsinnige Echsenmann.
    Durch den Schleier seiner Wuttränen hindurch sah der Schwertkrieger, wie einige Narod’kratow und Rriba’low sich zwischen den Zelten näherten. Der knotige Zwerg, der Besitzer Mur’gashs, ruderte keine zwanzig Schritte hinter Taqua’floydan mit den Armen. »Bulba’han! Bulba’han!« Fast lauter noch als Taqua’floydan schrie er.
    Und die einhundertsechs Schwertkrieger? Sie standen stumm im flachen Wasser, rührten sich nicht, ein schwarzes Riff waren sie. Nur die Säume und Zipfel ihrer langen Kapuzenmäntel wogten im Seewind.
    Alle sehen sie zu…
    Bulba’han spürte die raue Oberfläche des Steins unter seiner Handfläche. Er schätzte das Gewicht, er stellte sich den Lästerer auf dem Felsvorsprung vor. Wie weit entfernt? Wie hoch? Wenn er nicht schnell genug war, würde die Zauberkraft des Geistmeisters mit dem Stein tun, was sie mit Trommelschlegel und Trommel getan hatte…
    Bulba’han schloss die Augen, atmete ein, atmete aus, atmete ein…
    Blitzschnell fuhr er herum, sprang auf und schleuderte den Stein mit aller Macht hinauf in die Klippenwand.
    Er traf Mur’gash am Knie. Der Geistmeister kreischte auf - diesmal nicht vor Vergnügen, sondern vor Schmerz -, und der Jubel der Gaffer hallte wie hundertfaches Echo zurück.
    Mur’gash knickte ein, verlor das Gleichgewicht und stürzte auf die Dünen hinunter. Bulba’han knurrte. Erneut riss er das Schwert aus

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